Aktivitäten des Vereins Missbrauchsthemen
Wir führen Workshops durch, bei denen die Teilnehmer Körperwahrnehmungs-Methoden als Selbsthilfe lernen. Auch hier geht es um die Heilung von Traumafolgen.
Wir arbeiten im Fonds Sexueller Missbrauch der Bundesregierung mit. Schwerpunkt ist die Mitentscheidung über Hilfeleistungen für ehemalige Opfer.
Wir arbeiten mit dem Unabhängigen Beauftragten der Regierung (UBSKM) zusammen. Hier geht es vorwiegend um Öffentlichkeit und Aufarbeitung.
Derzeit bestehen 6 Selbsthilfegruppe zum Thema Kindheitstrauma bzw. Sexueller Missbrauch. In allen Gruppen können neue Mitglieder aufgenommen werden.
Außerdem besteht eine Gruppe "Männer auf der Suche".
Wir nehmen an den Selbsthilfetagen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt teil.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Opfer...
verlieren Vertrauen
entwickeln Zwänge
flüchten in Süchte
sind öfter geistig abwesend
trauen ihren Gefühlen nicht
erleben Erinnnerungen wie echt
Überlebende…
sind nicht hilflos
führen ein gelingendes Leben
sind erfolgreich
helfen sich gegenseitig
leben bewußt und intensiv
sind starke Persönlichkeiten
gehen in Selbsthilfegruppen Heilung
Heilung von ehemaligen Opfern, die an belastenden Folgen ihres Traumas leiden.
1. Schritt: Brechen der Schweigemauer
In einer Gruppe erkenne ich: ich bin nicht allein! Man
glaubt mir! Man versteht mich!
2. Schritt: Täter – Mutter – Vater:
Alle drei spielen eine eigene große Rolle.
Meine Grundgedanken:
Wobei wurden wir als Kinder belogen und verraten?
Trauma-Auflösung:
Traumatisches Gefühl und traumatische Geschichte passen
zusammen: damit löst sich das Trauma auf.
Erfolg: Ich habe über mich die Kontrolle.
Lebensentscheidungen treffe ich frei, ohne Traumazwänge.
Ich bin auf dem Weg der Heilung und ich weiß das!
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
dessen Gefühlstiefe so sehr eingeschränkt
und oberflächlich bleibt,
dass er selbst seine Gefühle nicht bewerten kann.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der seinen tatsächlichen Gefühlen nicht traut.
Er braucht andere Werte, die Sicherheit geben:
Gerechtigkeit, Fairness, Achtung, Friede, Freiheit.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der zum Überleben einen starken Willen entwickelte.
Dennoch ist er innerlich hohl und leer
und kann den Lebenssinn nicht finden.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der sein Leben in Teilen lebt,
in unzusammenhängenden Fragmenten.
Integriert er, wird’s schwer.
Ein Seelen-Gemordeter kann seine Fragmente
nicht verbinden: die Werte, sie stimmen nicht!
Die Grenzen der Fragmente, die sichern das Leben,
multipel oder nicht.
Ein Seelen-Gemordeter ist eine Bombe:
Wehe, wenn Wut und Hass ausbricht!
„Doch keine Sorge, er ist ganz cool, so wie Ihr ihn kennt.“
Er hat kein Vertrauen, Ihr kennt ihn nicht.
Ein Seelen-Gemordeter ist stark.
Sein starker Wille ließ ihn überleben.
Das fürchten und das imponiert anderen.
Doch in ihm steckt ein Seelenmörder.
Ich habe viele Leben,
sie finden nicht hintereinander statt, sondern parallel.
Keines kann ich durchhalten, außer
ich kann in die anderen wechseln:
der Vater, der Freund, der Liebhaber, der Sexuelle,
der Intellektuelle, der Politische, der Materielle,
der Philosoph, der Suchende, der Schweigende.
Die Parallelität wird schärfer.
Ich lebe, als ob ich wäre wie andere auch:
Aber niemand weiß ...
Vom explosiven Potential, von der
Leere, vom Zuviel der Schrecken in mir.
Wenn ich es brauche, trete ich weg,
die Umgebung ist wie durch einen Schleier,
ich blende aus oder ein.
Ich bin, wo ich bin, und wo ich bin, bin ich nicht.Oft früher Beginn – dennoch heilbar
Sexueller Missbrauch in der Familie
Bei sexuellem Missbrauch in der Familie sind die Erwachsenen, die dem Kind bei der Bearbeitung der schrecklichen Erlebnisse helfen könnten, selbst die Täter. Das ist besonders schlimm und perfide. Es hat aber auch etwas Klares: die Eltern sind Täter und haben ihren Kindern nicht geholfen, weil sie Täter sind.
Beim Aufarbeiten unseres früheren Missbrauchs ist das A und O die Klarheit, das Wissen über die wahre Geschichte. Dazu gehören Antworten auf die Fragen: - wer waren Täter, wer half den Tätern? - was passierte genau? - in welchem Alter war ich da?
Bei der Schaffung dieser Klarheit zeigt sich als Erfahrung in den Selbsthilfegruppen, dass sexueller Missbrauch in der Familie oft bereits in den ersten Lebensmonaten oder -jahren seinen Anfang nimmt. Wer sich zunächst an spätere Missbrauchssituationen erinnert, damit aber seine aktuellen ängste oder andere Folgen nicht auflösen kann, beginnt häufig sich an frühere Geschehnisse zu erinnern.
Auch wer auf seine Körperempfindungen sehr genau achtet, kann sehr frühe Erinnerungen an sexuelle Gewalt wieder gewinnen. Unser Körper erinnert sich!
Meine Erfahrung in den SH-Gruppen mit den Menschen, die bereits länger in den Gruppen sind, ist ganz eindeutig: wenn die Erinnerung an ein Trauma mit beispielsweise 12 Jahren die heutigen Folgen nicht auflösen kann, dann ist die Geschichte mit 12 nicht komplett! Häufigster Grund ist, dass die 12-jährige Geschichte eine Retraumatisierung enthält zu einer früheren Geschichte. Das kann durchaus bis zum 1. Lebensjahr zurückgehen.
Je tiefer wir in unsere Missbrauchsgeschichte hineingehen, je frühere Beginne finden wir. Die dabei gefundenen Wahrheiten sind wichtig nicht nur wegen der Klärung, sie fühlen sich auch gut an!
Und genau damit beginnen die Traumafolgen sich aufzulösen, sie verschwinden, sie heilen. Oft früher Beginn – dennoch heilbar
Sexueller Missbrauch in der Familie - Thesenpapier
14.9.17 VHS Offenbach
Familiäres
1) Bei sexuellem Missbrauch in der Familie sind die Erwachsenen, die dem Kind bei der Bearbeitung der schrecklichen Erlebnisse helfen könnten, selbst die Täter. Das ist besonders schlimm und perfide. Es hat aber auch etwas Klares: diese Eltern sind Täter und haben ihren Kindern definitiv nicht geholfen!
2) Beim Aufarbeiten unseres früheren Missbrauchs ist das A und O die Klarheit, das Wissen über die wahre Geschichte. Dazu gehören Antworten auf die Fragen: - wer waren Täter, wer half den Tätern? - was passierte genau? - in welchem Alter war ich da?
Bei der Schaffung dieser Klarheit zeigt sich als Erfahrung in den Selbsthilfegruppen, dass sexueller Missbrauch in der Familie oft bereits in den ersten Lebensmonaten oder -jahren seinen Anfang nimmt.
3) Täter – Vater – Mutter: alle drei spielen eine eigene große Rolle.
4) Sexueller Missbrauch in der Familie bedeutet öfter als gedacht:
Mehrere Täter, Frauen wie Männer; mehrere Opfer, Jungen wie Mädchen.
Mehrere Generationen, manche waren erst Opfer und später Täter.
Es sind Missbrauchsfamilien
5) Zahlen – sie sind nichts Genaues:
Täter: ¼ Frauen und ¾ Männer
Opfer: 1/3 Jungen und 2/3 Mädchen, insgesamt jeder 10.
¾ aller Missbrauchsfälle finden in der Familie statt.
Heilendes
6) Wer auf seine Körperempfindungen genau achtet, kann sehr frühe Erinnerungen an sexuelle Gewalt wieder gewinnen. Unser Körper erinnert sich!
7) Meine Erfahrung in den SH-Gruppen mit den Menschen, die bereits länger in den Gruppen sind, ist ganz eindeutig: wenn die Erinnerung an ein Trauma mit beispielsweise 12 Jahren die heutigen Folgen nicht auflösen kann, dann ist die Geschichte mit 12 nicht komplett! Häufigster Grund ist, dass die 12-jährige Geschichte eine Retraumatisierung darstellt zu einer früheren Geschichte. Das kann durchaus bis ins 1. Lebensjahr zurückgehen.
8) Wir müssen in unsere Missbrauchsgeschichte hineintauchen. Die dabei gefundenen Wahrheiten sind wichtig nicht nur wegen der Klärung, sie fühlen sich auch gut an!
Und genau damit beginnen die Traumafolgen sich aufzulösen, sie verschwinden, sie heilen.
9) Die Traumatisierung findet im kompletten Nervensystem statt. Spüren – Fühlen – Denken.
Dort lassen sich die bis heute andauernden Folgen auch auflösen; und nur dort.
Gespräche zum Thema sind wichtig: deshalb organisieren wir Selbsthilfegruppen.
Spüren und Fühlen ist wichtig: deshalb organisieren wir Workshops zur Körperwahrnehmung.
10) Heilen heißt Selbermachen.
Selbst verantwortlich sein, sich selber helfen. Nicht mehr Opfer sein. Sich Hilfe holen, ja natürlich, verantwortlich aber selber sein.
11) Dort, wo’s zwickt, schauen wir hin. Welche Empfindungen mögen wir ganz und gar nicht? Genau dort lässt sich was finden.
12) Aktuelle Überreaktionen bedeuten Trigger. Wenn ich stark reagiere, fühle, denke bei einer ‚Lappalie‘. Diese Empfindung ist nicht falsch, ich bin nicht falsch. Allerdings: es wurde eine Erinnerung angetriggert. Und in der alten Geschichte war die Stärke meiner Reaktion angemessen.
Keine Angst vor ‚Retraumatisierung‘! Da wird in neuer Geschichte das alte Gefühl sehr stark angeregt. Wir suchen die alte Geschichte, die zum Gefühl passt.
Wir distanzieren uns z.B.: ich bin nicht das starke Gefühl, es hat einen Ort in meinem Körper und es wird wieder weggehen.
13) Starke Empfindungen aller Art können Erinnerungen sein. Wenn wir sie als solche ernst nehmen, können sie anfangen, sich aufzulösen.
Und jetzt kommt‘s: Schmerzen unbekannter Herkunft können Erinnerungen sein. Wenn sie das sind, dann sind sie auflösbar, restlos. Ich habe damit nennenswerte persönliche Erfahrungen, und einige unserer Mitglieder in den SHGen auch.
Manche Fälle von Migräne oder Fibromyalgie können Erinnerungsschmerzen sein.
14) Auch im Gelenk- und Muskelbereich manifestieren sich Erinnerungen. Wird daran gearbeitet, können die ursprünglichen Traumageschichten ‚hochkommen‘ und die Verspannungen o.ä. lösen sich auf.
Öffentliches
15) Mein Wunsch: Über sexuellen Missbrauch wird so oft und in ähnlicher Weise in der Öffentlichkeit berichtet wie über Autounfälle. Dass Missbrauch alltäglich ist, soll über die Medien erfahrbar werden.
16) Seine eigene Missbrauchsgeschichte erzählen ist wichtig. Das Problem ist nicht wirklich Scham, sondern Angst.
Meine eigene Geschichte ganz kurz: ich wuchs in einer Missbrauchsfamilie auf, Haupttäter war meine Mutter. Aber auch Vater, Großmutter, ein sadistischer Kinderschänderring. Der Missbrauch fand zw. 0 und 14 Jahren statt. Meine Haupt-Folge-Probleme waren Ängste, Hilflosigkeitsgefühle und Schmerzen (körperliche). Ängste und Hilflosigkeitsgefühle sind seit 5 Jahren restlos beseitigt. Mein Redeverbot war eine Todesdrohung. An den Schmerzen und an Sexualität arbeite ich.
17) Worum geht es? Es geht um die Verhinderung von Missbrauch. Und damit als allererstes um eine ständige öffentliche Berichterstattung. Täter müssen wissen, dass sie in Zukunft erwischt werden, weil wir Betroffene und die Medien darüber berichten.
Ich freue mich über eine Diskussion meiner Thesen.
Auch über diesen Vortrag hinaus. Wo, wie und wann auch immer.
Udo Gann
udo.gann@missbrauchsthemen.de
Wir sind Anlaufstelle im Rhein-Main-Gebiet für Frauen und Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht oder anderweitig traumatisiert wurden.
Wir bieten für Frauen und Männer Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Lotsendiensten und Selbsthilfegruppen. Es geht dabei um die Heilung von Traumafolgen aus der Kindheit.
Wir halten entsprechende personelle und fachliche Kompetenzen bereit.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Persönlicher Lotsendienst
Benötigen Sie Hilfe, weil Sie in Ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden oder sind Sie sich nicht sicher, was Ihnen widerfahren ist?
Sind Sie Partner/in, Verwandte/r oder Freund/in einer von Missbrauch betroffenen Person?
Wir bieten Ihnen einen persönlichen Lotsendienst, um über Ihre nächsten Schritte zu beraten: udo.gann@missbrauchsthemen.de. Sie erhalten schnelle Antwort per Mail oder wenn Sie möchten per Telefon.
Was könnte Ihnen gut tun? Vielleicht ein persönliches Gespräch, ein ausführlicher E-Mail-Kontakt, Literatur, ein Gespräch über Therapiemöglichkeiten, eine Selbsthilfegruppe, eine Auszeit von Ihrer jetzigen Arbeit, Reden über Ihre Erinnerungen, oder auch das Gegenteil.
Systemisches Denken - Vielzahl von Ansätzen
Viele Ideen, die wirken. Suchen Sie sich aus, was zu Ihnen passt und was Sie jetzt gerade brauchen können. Und dann tun Sie es.
1) Automatisches Verhalten analysieren:
Was liegt zwischen Auslöser und Reaktion? Gedanken, Körperwahrnehmungen, Emotionen. Wo sind Lügen aus der Kindheit versteckt?
2) Kontakt zum inneren kleinen Kind:
Das Kind könnte wahrnehmen lernen, dass es überlebt hat, dass es den Erwachsenen gibt, dass seine Strategien superspitzengut waren. Und dass es seine wahren Reichtümer an Emotionen, z.B. Freude, Urvertrauen jetzt einbringen kann und mit den anderen Teilen verschmelzen kann. Keine Angst davor!
3) Abbau von Generalisierungen:
„Alle Frauen sind gefährlich“ -- alle Mütter, -- meine Mutter. Wirklich alle Frauen? Was bedeutet „gefährlich“ konkret?
4) Lücken ergänzen:
„Es ist alles Mist“. Was ist „es“? Wer oder was ist „alles“?
5) Grundgedanken und -muster entdecken:
Alle Frauen sind gefährlich. Angst vor Hilflosigkeit. Ich bin nichts Wert. Ich bin schlecht. Ich bin selbst schuld.
6) Grundgedanken und -muster auf ihre Entstehung zurückführen:
Mein Vater brachte mir mit 3 Jahren bei, dass alle Mütter an ihren kleinen Jungs rumspielen. Ich empfand meine Mutter als gefährlich, --alle Mütter, --alle Frauen.
7) Verzerrungen zurechtrücken:
„ich kann dir gute oder schlechte Gefühle machen, ich kann dich in den Tod treiben.“ Nein!
8) Man kann die Welt auch anders sehen:
Es gibt Menschen, die eher sich selbst Verantwortung geben und es gibt Menschen, die eher Verantwortung an andere geben. Optimisten – Pessimisten.
9) Analytisches Denken:
Gegebenheiten beobachten, Zusammenhänge beobachten, Reaktionen beobachten. Dann Ursachen analysieren. Dann Folgen überlegen. Keine Bewertungen: kein gut oder schlecht, kein richtig oder falsch.
10) Wahrheiten finden! Lügen suchen:
Wir tragen in erheblichem Umfang Verantwortung mit uns herum, die nicht unsere ist. Grund: wir tragen in uns „Grundwahrheiten“, die Lügen sind. Sehr nahestehende Menschen haben uns als kleine Kinder angelogen bzw. uns verraten. Wahrheit tötet nicht, Wahrheit heilt.
11) Somatic Experiencing – Übungen:
Der Körper entwickelt körperliche Sicherheit und Stabilität. Erdung – Gleichgewicht – pendeln – kämpfen – flüchten.
12) EMDR – getrennte Teile finden sich:
Die beiden Gehirnhälften verbessern den Austausch von Informationen. Dadurch werden Geschichten komplett und sie können als Erinnerung abgespeichert werden. Sie funktionieren damit nicht mehr als Handlungsanweisungen.
13) Achtsamkeit / Focusing – Ende der überdrehten Verantwortung:
Innere Gegebenheiten werden beobachtet und nicht bewertet. Körperempfindungen werden dadurch wahrnehmbarer. Sie beobachten und warten, was im Körper passiert.
14) Imaginationen – sanftes Wiederentdecken der inneren Wirklichkeit:
Distanziertes Umgehen mit inneren Wirklichkeiten, spielerisches Umgehen. „Sicherer Ort“, „Wohlfühlort“. Die eigenen inneren Anteile finden und erleben.
15) Rollenspiele:
Sohn – Vater – Gespräche, Tochter – Vater – Gespräche, usw. kann starke Erkenntnisse schaffen.
16) Starke Reaktionen haben starke Ursachen. Ganz sicher!
Emotionen sind immer wahr! Körperempfindungen sind immer wahr! Sind sie sehr stark, haben sie entsprechende Gründe: diese suchen ist hilfreich. Meist stammen sie aus sehr, sehr früher Kindheit.
17) Der Körper spricht wahr:
Eine Blockade macht Sinn – auch wenn ich diesen noch nicht gefunden habe. Die Blockade ist keine Schwäche, die überwunden werden müsste. Der Körper weiß es besser als unser Bewusstsein. Es ist eine Information, die wir entschlüsseln sollten.
18) Erinnerungen, gefühlt, körperlich, bildlich, wörtlich sind wahr:
Wie beim Puzzle: was passt, ist sinnvoll. Was sinnvoll ist, ist wahr.
19) Verantwortung gehört zu den Tätern:
Sie haben uns verraten. Wenn wir Wahrheiten finden, die für die Täter schmerzhaft sind: dafür sind die Täter selbst verantwortlich.
20) Verantwortung gehört zu den Eltern:
Vater und Mutter haben nicht geholfen, sondern, im Gegenteil, das Tatumfeld geschaffen. Sie haben gelogen. Sie haben sich nicht fürsorglich gekümmert. Sie waren in ihrer eigenen Welt. Dafür und für die Entstehung der Folgen in uns sind Vater und Mutter verantwortlich, nicht wir. Wir sind verantwortlich dafür, die Folgen in uns zu ändern und sie nicht weiterzugeben.
21) Ende des Schweigens:
Kraftvoller Beginn der Heilung: Mit anderen Opfern reden. Konfrontation des Täters, Öffentlichkeit: Das ist keine unberechtigte Rache. Das ist individuelle und gesellschaftliche Notwendigkeit. Täter sollen es zukünftig schwerer haben. Und sie sollen wissen: früher oder später müsst ihr Buße tun.
22) Integration – Heilung findet statt:
Alle inneren Anteile von uns gehören zusammen, die Abspaltung hört auf. Der zutiefst verletzte Teil von uns, der bei Missbrauch / Verwahrlosung / Gewalt ins Exil gegangen ist, kann wieder zu uns stoßen. Dieser Teil bringt die fehlenden Emotionen, Urvertrauen, Spiritualität, Lebensfreude mit. Dieser Teil wird nicht von den anderen Anteilen geholt. Er wird von sich aus kommen, er entscheidet, wann. Dann heilen wir.
23) Trauma-Auflösung:
Habe ich ein starkes Gefühl (körperlich) und finde ich die richtige Geschichte dazu, dann löst sich das Trauma auf. Das gilt auch für einzelne Teile eines komplexen Traumas.
24) Was ist die stärkste Angst?
Die behindert möglicherweise weitere Trauma-Auflösungen. Dann muss sie beachtet werden.
25) Stärken stärken – nicht Schwächen schwächen
Unsere Stärken sind unsere Kraft. Sie zu pflegen und wertzuschätzen ist wichtig. Das stärkt unser Selbstbewusstsein und es macht Freude, das zu tun, was wir bereits gut können.
26) Klagen ist notwendig
Ungewohntes zu tun bringt aber erst die Veränderung. Risiken eingehen.
27) Nicht so hart sein, liebevoller sein
Vor allem zu uns selber. Und neben dem heilen auch leben.
28) Gelassenheit
zugreifen, festhalten, loslassen, lassen und nehmen: alles ist gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin.
29) Selbermachen
Heilung von Traumafolgen kann und muss jeder selber tun. Hilfen von anderen sind wichtig, außerdem benötigt man: Mut, Wissen, Risikobereitschaft, Feedback, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen.
Wenn Sie nicht sicher sind ...
... ob Ihre Schwierigkeiten mit sexuellem Missbrauch in Ihrer Kindheit zu tun haben.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder oder Jungendliche ist so schwer vorstellbar, dass es kaum zu fassen und auch nicht nebenher zu verarbeiten ist. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Und mit der richtigen Hilfe und Unterstützung.
Wenn Sie sich wie im Nebel vorkommen, nicht wissen, ob Sie sexuell missbraucht wurden, oder sich an keine Einzelheiten erinnern können, weil Sie "nur" ein vages Gefühl haben, glauben Sie diesem Gefühl. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter nahe Verwandte waren, gewaltig war der Unglaube bei Vater oder Mutter.
Trauen Sie Ihren Gefühlen
Wie auch immer Sie sich fühlen, nehmen Sie diese Empfindungen ernst. Akzeptieren Sie sich, wie Sie gerade sind. Gefühle sind nicht falsch, verwirrend vielleicht. Dies wird mit der Zeit, wenn Sie sich beraten, wenn Sie Gespräche führen, klarer werden. Suchen Sie sich gute Freunde zum Reden, sprechen Sie uns an, sprechen Sie mit einem erfahrenen Therapeuten, einer erfahrenen Therapeutin.
Und suchen Sie sich einen sicheren Ort, an dem Sie sich wohlfühlen. Das kann ein Café sein, wo Sie unter Menschen sind, das kann auch Ihr Balkon zuhause sein oder sogar ein Ort in Ihrem Innern, in Ihrer Seele. Es gibt auch keinen Grund zur Panik, die Verletzungen liegen lange zurück.
Wichtig ist aber auf Abstand zum möglichen Täter, zur möglichen Täterin zu gehen. Kontakt zu diesen Menschen wird Ihre beginnende Klarheit verhindern, wird Sie weiterhin verwirren und vernebeln. Mit dem möglichen Täter, der möglichen Täterin können Sie sich später noch auseinandersetzen.
Sie sind nicht allein
So traurig es ist, Sie sind nicht der erste und nicht der letzte Mensch, der sexuell missbraucht wurde. Es gibt andere Menschen, die diese Erfahrung ebenfalls erlitten haben, mit denen Sie sprechen können. Sprechen Sie uns an. Wir bieten Ihnen einen Lotsendienst, der Ihnen durch Ihren Nebel helfen kann, sei es durch Gespräche mit anderen Betroffenen, Beratungsgespräche, Bücher, Therapie, Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, was auch immer Ihnen kurzfristig wie auch auf Dauer helfen könnte.
Sie sind nicht allein!
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.deaus Mike Lew: Als Junge missbraucht
Aber wir Opfer - Teil des Chors der Menschheit - antworten: "Wir glauben dir, nicht ihnen. Wir glauben dir, bevor du den Greul spürst vor dem, was dir angetan wurde, bevor du sicher und für immer weißt, was ein Verbrechen war oder ist, bevor wir uns begegnet sind, denn du bist wir, und deine Geschichte ist unsere Geschichte."
Und so beginnt es. Ich spreche zu Deinen Händen, die dieses Blatt halten, zu Deinen Augen, die diese Worte lesen und zu Deinem Herzen, das hüpft - vielleicht nur ein bisschen, vorsichtig - oder das vielleicht sogar springt bei dem Klang meiner Liebe, der ein Aufruf zur Schlacht ist. Und Deine Hände antworten, wenn sie spüren, dass sich dieses Blatt gut in Deinen Händen anfühlt. Deine Augen antworten, wenn sie zu dem einen Satz zurückgehen, den Dein Gehirn nicht gefiltert hat, sondern der direkt in Dein Herz drang. Und Dein Herz antwortet, Dein müdes, mattes Herz, das krank ist von all den Vergewaltigungen, den mit Schweigen erfüllten Jahren, den Verweigerungen, all dem Verrat und all der Feigheit. Dein Herz hat das Leben so sehr geliebt, dass Du Deine Hoffnung nie ganz aufgegeben hast, es möchte vielleicht doch Menschen geben, die Dich in der ganzen Wahrheit dessen, der Du bist, und in der ganzen Wahrheit dessen, wo Du gewesen bist, lieben und Dich deshalb nicht verletzen oder verleugnen. Dein Herz war immer, trotz all dem, was einige Menschen Dir angetan haben, bereit, der ganzen Menschheit zu vergeben, wenn nur einer vortreten und die Wahrheit sagen würde.
An diesem heutigen Tag, in diesem Augenblick, auf dieser Seite, auf diesem Blatt bin ich diese Person. Und ich sage Dir: Du bist unschuldig. Wenn Du dieses Blatt in Deinen Händen hältst, wenn Du es Deinem Herzen erlaubt hast, den grenzenlosen, in Deinem Herz schlagenden Mut und die Hoffnungen zu empfinden, die sterben zu lassen Du Dich geweigert hast, dann hast Du bereits alles in Dir, das erforderlich ist, um diesen Kampf zu seinem Ende zu führen. Dieser, unser Kampf ist nicht leicht; er findet in den grundlegendsten Schichten der menschlichen Natur statt. Aber denk daran: Wenn Du missbraucht worden bist, stehst Du schon mitten im Kampf. Dort wo's zwickt und wehtut schauen wir hin
Sexueller Missbrauch und Gewalt sind keine Einzelphänomene, von denen nur wenige Menschen betroffen sind. Die Dunkelziffer bei Missbrauch und Gewalt ist aus unterschiedlichen Gründen sehr hoch. Schließlich ist es für die Betroffenen sehr schwer, ihre Scham zu überwinden und sich zu äußern. Kinder stehen oft in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Täter/innen und können die ihnen angetane Gewalt selbst dann noch nicht artikulieren, wenn sie aus der Gewaltbeziehung in Sicherheit gebracht werden können.
Folgen eines Missbrauchs
Missbrauch ist ein Generalangriff auf das Grundvertrauen und das gesunde Aufwachsen eines Kindes. Die Folgen einer derartigen Traumatisierung reichen bis in das Erwachsenenalter, begleiten die Betroffenen ein Leben lang und können sehr unterschiedliche, schwerwiegende Ausformungen annehmen, z.B.:
- posttraumatische Belastungsstörungen
- psychosomatische Schmerzen
- ängste, Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Panikattacken
- unberechenbare Starre in Stresssituationen
- Suchtverhalten
- gestörtes Selbstwertgefühl, sich leicht ausnutzen lassen,
- harmoniesüchtig sein, Angst vor Konfrontationen
- Angst vor Nähe, kein Vertrauen zu anderen, Zurückgezogenheit
- Selbstaggression wie Selbstverletzungen (z.B. Borderline-Störung)
Die Liste lässt sich weiter fortführen. Die Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen solchen Verhaltensmustern, psychischen und körperlichen Problemen und Beeinträchtigungen und den erlittenen Gewalterfahrungen hat man oft erst in der Lebensmitte.Die Folgen von sexuellem Missbrauch erledigen sich jedoch nicht von selbst.
Verantwortungsbewusst an sich arbeiten
Ein Erkennen, Aufmachen oder Zulassen kommt irgendwann irgendwie hoch. Langsam und verdeckt oder plötzlich und direkt. Jahrelang Verdrängtes lässt sich nicht mehr stoppen. Therapeuten mit der Spezialisierung der Traumaverarbeitung sind rar, oft überbelegt und es gibt sehr lange Wartezeiten. Außerdem: Therapien reichen bei Weitem nicht aus. Wir Betroffene müssen verantwortungsbewusst an uns selbst weiterarbeiten. Es ist ein innerer Vorgang. Und dieser lässt sich leichter anstoßen und vorantreiben, wenn man sich offen und ohne Scheu mit Menschen austauschen kann, die das Gleiche erlitten und überlebt haben, die mit vergleichbaren Auswirkungen auf ihr Leben kämpfen müssen und die daher verstehend zuhören können.
Auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe zum Thema Missbrauch
Nachdem ich 2008 nach einem 10-jährigen Auslandsaufenthalt wieder in Deutschland war, suchte ich mir einen Therapeuten. Das war sehr viel schwieriger als erwartet. Dann hatte ich die Hoffnung, die richtige Selbsthilfegruppe zu finden. Auch das kam anders als ich dachte. Die Selbsthilfegruppen, für die ich mich interessierte, waren zu dieser Zeit nicht zugänglich, weil die betroffenen Frauen in der Einrichtung sich gerade neu zusammengefunden hatten und unter sich bleiben wollten. Das konnte ich zwar verstehen, aber es hat mir natürlich nicht weiter geholfen. Ich brauchte dringend Menschen, mit denen ich über mein heikles Thema sprechen konnte. Nach langer mühevoller Suche bin ich letztendlich bei einer Selbsthilfegruppe in Offenbach gelandet, bei der auch betroffene Männer waren. Das hat mich überwindung gekostet - Männer sind ja schließlich mein Thema. Aber ich bin trotzdem hingegangen. Heute bin ich sehr froh darüber. Doppelt froh, weil in dieser Gruppe offen über das Thema gesprochen wird. Mit diesem offfenen Umgang habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich habe durch Gespräche alte, mich behindernde Strategien und Blockaden erkannt und auflösen können.
Dort wo's zwickt und wehtut müssen wir hinschauen
In der Offenbacher Selbsthilfegruppe gilt das Motto: Dort wo's zwickt und wehtut, müssen wir hinschauen. Und: wir schaffen es auch selbst. Für manche Therapeuten ist das nicht die richtige Haltung; mein Therapeut hat es allerdings unterstützt! Zum Verstehen und Wachsen ist eine innere Bereitschaft und Hinsehen unabdingbar. Unsere Wunden machen uns empfänglich für Bewusstheit und änderung; dann kann unsere ursprüngliche Schwäche zur Stärke werden.
Sabine Selbermachen
Im Jahr 2001 wollte ich als Betroffener im Großraum Frankfurt in eine Selbsthilfegruppe gehen für Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. So etwas gab es allerdings nicht. Darum verfasste ich einen Gründungsaufruf.
Männergruppe "Als Junge missbraucht"
Mein damaliger Aufruf führte zu einer Gruppe von drei Teilnehmern.
In der Gründungssitzung begann der erste ganz vorsichtig mit 'meine Geschichte ist eine ganz besonders ungewöhnliche Geschichte, ich wurde von meiner Mutter missbraucht.' Tja, ... wir waren alle drei genau richtig, in der richtigen Gruppe, wow! Alle drei waren wir von unseren Müttern sexuell missbrauch worden. Es gab auch weitere Täter: Väter, Großeltern, Fremde, ...
Diese Selbsthilfegruppe besteht bis heute, sie trifft sich wöchentlich in Offenbach in den Räumen des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Männer sind öfter Opfer als gedacht
Opfer wurden wir nicht nur in der Kirche oder in der Eliteschule. Viel häufiger geschah dies in der Familie oder im Umfeld der Familie. Und auch Männer sind gar nicht so selten zum Opfer geworden. Ebenso wie Frauen als Täter keine Seltenheit sind. Und es gibt in nennenswertem Umfang so etwas wie 'Missbrauchsfamilien', Großeltern, Eltern, weitere Verwandte: viele wurden Opfer und viele sind Täter geworden.
Das Trauma gemeinsam bewältigen
Die Auflösung, oder wenn man so will: Heilung, traumatischer Folgeprobleme ist möglich, auch vollständig. Ich stelle diese Behauptung auf, weil ich weiß, dass es si ist, weil ich es an mir selbst erlebt habe. Ich habe in Bezug auf ängste, Hilflosigkeit, Wut, Ekel, Scham keine Traumafolgebelastungen mehr. Gar keine.
Vermutlich gibt es nicht nur meinen Weg bzw. den Weg der Gruppenmitglieder von 'Als Junge missbraucht' zu diesem Ziel. Unser Weg war und ist: im Körper, im Denken, in den Emotionen alles aufspüren, was mit dem Missbrauch zu tun hatte. Eine Erinnerung beobachtend wiedererleben oder die Körperempfindung wiedererleben und das Wiedererlebte neu einordnen als das, was es ist: eine Erinnerung und keinesfalls Gegenwart. Wenn ich eine traumatische Geschichte ausreichend wieder erinnere, dann wandelt sie sich in eine 'normale' Erinnerung, sie wirkt nicht mehr wie 'jetzt'. Bei unserer Herangehensweise geht es konkret darum, den eigenen Körper zu spüren und wahrzunehmen, auf ihn zu fokussieren. Wir betreiben das alleine, in Gruppen oder zu zweit, wobei einer fokussiert und der andere ihn begleitet. Diese Methode kann auch in Psychotherapien angewandt werden, allerdings ist sie eigentlich eine typische Selbsthilfemethode.
Selbermachen - das Trauma in eigener Verantwortung bearbeiten
Für mich war immer wichtig, dass ich die Auflösung der Traumafolgen 'selber betreibe'. Selber machen, also in eigener Verantwortung, ist mir ein ganz wichtiges Element meines Tuns. Das galt auch dann, als ich mit einem Therapeuten an meinen Themen arbeitete. Ich hole mir Hilfe, ich selbst bin aber für den Prozess verantwortlich. Und für mich gilt: wenn ich dort, wo's in mir schmerzt, hinschaue, dann werde ich die Traumafolgen auflösen! Alle!
In unserer Gruppe erlebe ich bis heute, bei mir wie auch bei anderen, ständig kleinere und größere Auflösungen, sozusagen Aha-Effekte körperliche Art oder auch als zutiefst wirkende Erkenntnis. Seit 2011 kann ich mit meinem eigenen Namen in der öffentlichkeit auftreten, weil die alten ängste zum Redeverbot nicht mehr existieren.
Udo Gann
Einladungen zur Teilnahme an den Aktivitäten des Vereins
Selbsthilfegruppen
Workshops
Kuschelabende
Wohnprojekt
Feste
Selbsthilfegruppe Missbrauchsthemen Darmstadt
Aktuell haben wir, unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorschriften, für die Darmstädter Selbsthilfegruppe eine Sondergenehmigung für Face-to-Face Meetings
Anlaufstelle für Frauen und Männer, die als Kind sexuell missbraucht oder traumatisiert wurden.
Unsere Selbsthilfegruppe
Wir sind eine Anlaufstelle für Betroffene, die sich informieren und in Kontakt mit anderen Betroffenen kommen wollen.
Wir sprechen sowohl über unsere aktuelle Situation, als auch über unsere Erinnerungen.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortungsvoller Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer ist selbstverständlich.
Die Gruppe trifft sich jeden 2. und 4. Montag im Monat in Bahnhofsnähe Darmstadt
Über Missbrauch
Sexuelle Gewalt, emotionaler und körperlicher Missbrauch sind Delikte, die in unserer Gesellschaft erschreckend verbreitet sind. Es sind hochgradig verwirrende Erlebnisse von Vertrauensmissbrauch mit enorm zerstörerischen Folgen, die nach einer sensiblen und vollständigen Aufarbeitung verlangen.
Oft benötigt die Psyche Jahrzehnte, bis sie traumatische Erlebnisse ins Bewusstsein lässt.
Folgen eines Missbrauchs
Traumatisch wird Erlebtes dann, wenn der Organismus davon überwältigt wird und mit Hilflosigkeit und Lähmung reagiert. Die Folgen wirken im Denken, Fühlen und Handeln.
Traumatische Erinnerungen können durch Mechanismen wie Verdrängung oder Dissoziation vom Bewusstsein abgespalten werden.
Als Betroffene haben wir einen Verlust an Lebensenergie, Leidensdruck bis hin zu selbstzerstörerischen und unangemessenen Verhaltensweisen. Manche empfinden ihr Leben als stillgelegt. Unser psychisches Gleichgewicht ist aus der Balance.
Beziehungen zu anderen Menschen können schwierig sein, weil wir selbst von tiefen Verletzungen geprägt sind.
Wir leiden u.a. unter posttraumatischen Belastungsstörungen, psychosomatischen Schmerzen, Depression, Verzweiflung, Panik, Starre, Sucht, Zwängen, Angst vor Nähe und geringem Selbstwertgefühl. Das Vergangene lebt weiter in unsererem Körper und vermindert unsere Lebenskraft. Der Körper ist für uns zum Feind geworden und oft tun wir alles, um ihn nicht spüren zu müssen.
Unser Weg
Es gibt einen Weg aus dem Trauma, nicht durch Vergessen, sondern durch bewusstes Auseinandersetzen. Durch den Prozess der Auseinandersetzung mit uns selbst können unsere Selbstheilungskräfte allmählich in Gang kommen. Wir versuchen, unseren Körper und unsere Gefühle wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu verstehen.
Zum Verstehen und Wachsen ist innere Bereitschaft und Hinsehen-wollen unabdingbar. Durch den Austausch, das Gespräch, gegenseitigen Respekt und Mitgefühl wachsen wir.
Betroffene, die diesen Weg nicht gehen wollen, sind trotzdem willkommen.
Wir wollen die Fähigkeit entwickeln, präsent zu bleiben und verstörenden Empfindungen zu begegnen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Wir wollen beobachten lernen, wann und wie sich der Körper versteift und zusammenzieht und wie Gefühle und Impulse aufsteigen. Wir sind auf der Suche nach Erklärungen für die Erinnerungen, und wie wir damit Frieden schließen können.
Ohne zusammenhängende Erinnerungen können wir den Teufelskreis der sich ständig wiederholenden Schwierigkeiten in unserem Leben nicht durchbrechen.
Unsere Ziele
Wir wollen lernen, unsere unbequemen Erinnerungen zuzulassen.
Wir wollen lernen, selbstreflektiertes Verhalten zu entwickeln.
Wir wollen lernen, unsere negativen Komplexe zu durchbrechen.
Kontaktaufnahme unter
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Sabine Tel: 0160-96 480 492
fabienne.pasternak@web.de
Fabienne Tel: 0152-55 945 041
Selbsthilfegruppe Überlebender von Missbrauch und Vergewaltigung Frankfurt
Sexuelle Gewalt ist so schwer vorstellbar, dass es kaum zu fassen und auch nicht nebenher zu verarbeiten ist. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter nahe Verwandte waren, gewaltig war der Unglaube bei Vater oder Mutter.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied einer Selbsthilfegruppe von Überlebenden von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe missbrauchter oder vergewaltigter Frauen und Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. Wöchentliche oder 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Selbsthilfegruppe "Als Junge missbraucht" Offenbach
Als ich in einem Buch las, "Sie sind willkommen in dieser Welt. Als Sie geboren wurden hat die Sonne gelächelt", wusste ich, dass tief in mir steckt, nicht wichtig zu sein, nichts wert zu sein, für niemanden. Das war 1997und ich wusste noch nicht, dass ich über viele Jahre hinweg von meiner Mutter nicht nur geschlagen, sondern auch sexuell missbraucht wurde.
Nachdem ich 1999 dann den Missbrauch wieder erinnerte, habe ich versucht, andere Betroffene in einer Missbrauchsgruppe kennen zu lernen. Es war mir nicht gelungen, es gibt kaum solche Gruppen in Frankfurt. Daraufhin glaubte ich, dass es sinnvoll ist, eine solche Gruppe zu gründen, selbst zu gründen. Seit 2001 besteht diese Selbsthilfegruppe.
Ich möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an dieser Selbsthilfegruppe missbrauchter Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Männern. Wöchentliche Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
Frauengruppe Offenbach
Frauen, die in der Kindheit sexuell missbraucht wurden, lade ich zum Frauentreffen ein. Es ist auch für Frauen, die sich nicht ganz sicher sind, ob und was passiert ist. Wir treffen uns donnerstags um 19:30 Uhr in den Räumen von Missbrauchsthemen e.V. in Offenbach Wir sprechen offen über das Thema, weil wir glauben, dass wir nur so an den Kern unserer daraus folgenden Problemen kommen.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Selbsthilfegruppe Kindheitstrauma Frankfurt
Hohe Gewalt in der Kindheit ist schwer vorstellbar, schwer aushaltbar und auch nicht nebenher zu verarbeiten. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir schwer misshandelt, vernachlässigt, emotional oder sexuell missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter Vater oder Mutter waren.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied einer Selbsthilfegruppe ehemaliger Opfer und möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe in der Kindheit traumatisierterFrauen und Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Hallo Kuschel-Interessierte,
Wegen Corona finden zur Zeit keine Kuschelabende statt
Sabine und ich haben für alle Interessierten weitere Kuschelabende geplant.
Ort: Udo Gann, Körnerstr. 6, 63067 Offenbach,
Teilnehmerzahl: ca. 10-12.
Mitzubringen: bequeme Kleidung,
eventuell etwas zum Knabbern, Trinken, Essen usw., keine weiteren Kosten.
Kuscheln tut Körper, Geist und Seele gut, es fördert die Produktion von Glückshormonen, entspannt und regeneriert unseren Körper. Menschen tragen das Bedürfnis nach Berührung in sich. An unserem Kuschelabend schaffen wir einen geschützten Raum zum kuscheln und wohlfühlen, außerdem zum entspannen und auftanken!
Kuscheln bedeutet, dass zwei oder mehr Personen beieinanderliegen, sich umarmen, halten oder streicheln. Anfassen der Bikinizone sowie küssen ist nicht erlaubt.
Teilnahme bitte bei mir anmelden.
Übernachtung ist möglich, bitte vorher ankündigen.
Liebe Grüße
Udo
Der Verein Missbrauchsthemen e.V.
wurde im Jahr 2003 von Männern zweier Männergruppen aus dem Raum Rhein-Main unter dem Namen Männerthemen e.V. gegründet. Da sich die Aktivitäten zwischenzeitlich gleichermassen auch auf Frauen erstrecken, heißt der Verein seit Oktober 2015 Missbrauchsthemen e.V.
Das Ziel des Vereins ist die Förderung von Selbsthilfegruppen, die Durchführung von Workshops und die Beratung von in der Kindheit sexuell missbrauchten oder anderweitig traumatisierten Männern und Frauen.
Wir sind als Selbsthilfeverein damit hauptsächlich im gesundheitlichen Bereich tätig.
Aktivitäten des Vereins
Wir führen Workshops durch, bei denen die Teilnehmer Körperwahrnehmungs-Methoden als Selbsthilfe lernen. Auch hier geht es um die Heilung von Traumafolgen.
Wir arbeiten im Fonds Sexueller Missbrauch der Bundesregierung mit. Schwerpunkt ist die Mitentscheidung über Hilfeleistungen für ehemalige Opfer.
Wir arbeiten mit dem Unabhängigen Beauftragten der Regierung (UBSKM) zusammen. Hier geht es vorwiegend um Öffentlichkeit und Aufarbeitung.
Derzeit bestehen 6 Selbsthilfegruppe zum Thema Kindheitstrauma bzw. Sexueller Missbrauch. In allen Gruppen können neue Mitglieder aufgenommen werden.
Außerdem besteht eine Gruppe "Männer auf der Suche".
Wir nehmen an den Selbsthilfetagen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt teil.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.deTätigkeitsbericht 2017 - Missbrauchsthemen e.V. LV Hessen
von Udo Gann 10.1.2018
Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
dieser Text wendet sich an alle Spender, Förderer, Freunde und Mitglieder des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Fazit unserer Arbeit
Alle geplanten Vorhaben für das Jahr 2017 wurden realisiert. Die Finanzierung war 2017 stabil. Die gesetzlichen Krankenkassen förderten den Verein mit einem hohen Betrag. Dadurch konnte unsere Arbeitskraft in erhöhtem Umfang für die inhaltliche Arbeit verwendet werden.
Nachfolgend ein Überblick über die einzelnen Aktivitäten.
Gründung und Betrieb von Selbsthilfegruppen im Bereich sexueller Missbrauch/ Kindheitstrauma
Alle 7 bisherigen Selbsthilfegruppen laufen. Es gibt eine reine Männergruppe, eine reine Frauengruppe und 4 Gemischte Gruppen im Bereich Missbrauch. In allen Gruppen bestehen freie Plätze. Außerdem eine weitere Männergruppe, die sich mit spezifischen Männer - Gesundheitsthemen beschäftigt.
In 2017 haben sich rund 40 Personen für die Selbsthilfegruppen interessiert, wovon ca. 20 in die Gruppen gekommen sind und knapp 10 bis heute als Mitglieder geblieben sind. Die Relationen sind nicht ungewöhnlich und verlangen keine konzeptionellen Veränderungen. Das Attraktivste an den Gruppen sind die Erfahrungen ‚ich bin nicht allein‘ und ‚Trauma kann geheilt werden‘. Betroffene entwickeln die Kontrolle über sich selbst, sie sind nicht mehr Getriebene. Erfolgserlebnisse in dieser Art sind immer wieder eindeutig erkennbar und bestätigen den Sinn unserer Aktivitäten.
Lotsendienst
Pro Woche fanden durchschnittlich 2 ausführliche Termine statt. Es handelte sich sowohl um Mitglieder der vorhandenen Gruppen als auch um neue Interessenten für die Gruppen als auch um reine Einzelberatungen im Zusammenhang mit Kindheitstraumata.
Zu rund 20 Personen, die nicht in die Gruppen kommen, bestehen regelmäßige Kontakte.
Workshops
Im Jahr 2017 führten wir 11 Workshops zum Thema ‚Körperwahrnehmung‘ durch. Dies ist bislang ein Angebot für die Mitglieder der Selbsthilfegruppen, da Gesprächsgruppen allein nicht ausreichen, um die Traumafolgen zu bearbeiten. Außerdem dienen die Workshops zur Gewinnung neuer Gruppenmit-glieder. Nennenswerte Werbung für weitere Interessenten an den Workshops haben wir in 2017 allerdings nicht betrieben, da die monatlich stattfindenden Termine auch so ausreichend Teilnehmer hatten. Die Ausweitung der Termine auf mehr als einmal monatlich war aus Kapazitäts- und Raum-gründen erstmal nicht möglich. Dazu ist mehr logistischer Aufwand nötig als wir zunächst annahmen: Zwei weitere Co-Leiter und ein Leiter, außerdem die Anmietung von Räumen, nicht nur die Organisa-tion der Werbung und Durchführung. Außerdem hatten wir zwei Workshops mit fremden Referenten.
Gemeinsame Feste
Seit mehreren Jahren bereits gibt es gemeinsame Feste. Mitglieder und Ehemalige der Selbsthilfegruppen wie auch andere Vereinsmitglieder treffen sich 4-5 Mal im Jahr zum gemeinsamen Feiern. Meist nehmen 15-30 Personen teil und es entsteht ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Auch gemeinsames Feiern ist für traumatisierte Menschen nicht immer einfach. Man kann dabei selbst erkennen, wie gut man sich in Beziehungen zu anderen Menschen zurechtfindet. Und man kann auch feiern als Übungsfeld betrachten.
Homepage und Bibliothek
Die Homepage ist fertig und geht demnächst online. In 2018 werden wir die neuen Möglichkeiten der Homepage integrieren. Erster Teil ist die Bibliothek. Dafür werden als nächstes alle Bücher fotografiert mit Vorder- und Rückseite. Dadurch stehen nicht nur die Titel, sondern auch die Kurztexte der Rückseiten zur Verfügung.
Gemeinschaftliches Wohnen
Dieses Projekt ist neu entstanden. Es geht dabei darum, ein Wohnprojekt zu finden, wo sich Menschen unseres Vereins an gemeinschaftlichem Wohnen beteiligen können. Es gibt derzeit rund 10 Interessenten und wir engagieren uns bei der Entwicklung /Konzeption von drei verschiedenen Objekten gemeinsam mit einem Verein, der derartige Aktivitäten bereits seit Jahren betreibt. Bis es zu gemeinschaftlichem Wohnen tatsächlich kommt, werden vermutlich noch 2-3 Jahre vergehen.
Kuschelabende
Seit Sommer 2017 bieten wir Kuschelabende an. Kuscheln klingt harmlos, ist es aber für traumatisierte Menschen ganz und gar nicht. Noch viel mehr als Feste feiern (siehe dort) ist kuscheln etwas, was viele Mitglieder des Vereins nicht können, obwohl sie es sehr gerne würden, egal ob mit einem Partner zu zweit, oder in einer Gruppe mit verschiedenen anderen Menschen. Beim ‚Kuscheln‘ geht es um körperliche Berührungen, die wohlfühlend und entspannend sind, nicht um erotische Empfindungen. Wenn zwei oder mehr Personen in Körperkontakt nebeneinander liegen und sich streicheln (oder auch nicht) entsteht nach einiger Zeit ein Wohlgefühl, welches die Beteiligten im eigenen Gehirn automatisch produzieren, ohne sich anstrengen zu müssen.
Dennoch will oder kann die Mehrheit der Vereinsmitglieder dieses Angebot erst mal nicht gut annehmen. Es entstehen Ängste, Scham, Ekel und andere Emotionen bei Berührungen. Für die anderen Mitglieder ist es ein wundervolles Wohlfühl-Angebot.
Geschichten von Betroffenen
Texte von Betroffenen sammeln sich langsam weiterhin bei uns. Daraus soll ein Buchprojekt entstehen mit den Schwerpunkten ‚Probleme als traumatisierte Erwachsene‘ und ‚Maßnahmen, die heilen. Wir sind dabei, von einzelnen Mitgliedern des Vereins Texte zu sammeln, die 5-25 Seiten lang sein sollen. Sie werden zunächst auf der Homepage veröffentlicht und ersetzen nach und nach die dortigen Betroffenen-Geschichten.
Außenkontakte
Wir nahmen am Selbsthilfetag in Offenbach teil (in Frankfurt und Darmstadt fand in 2017 kein solcher einzelner Tag statt). Dabei entstanden interessante Gespräche mit Betroffenen und Interessierten.
Wir pflegten Kontakte zum UBSKM (Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung) sowie insbesondere zu anderen Betroffenenorganisationen. Mehrere unserer Mitglieder beteiligten sich an den Interviews der Aufarbeitungskommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Deutschland, die beim UBSKM organisiert ist.
Seit Sommer 2013 arbeitet Udo Gann in dem von der Bundesregierung gegründeten FSM (Fonds Sexueller Missbrauch) mit. Er engagiert sich dort in der Clearingstelle. Das ist die Entscheidungseinrichtung über die Unterstützungsanträge der von sexuellem Missbrauch Betroffenen.
Im Herbst 2017 hielt er einen Vortrag über sexuellen Missbrauch in der Familie in der VHS in Offenbach. Wir sind als Anlaufstelle für Interessenten an Selbsthilfegruppen immer leichter zu finden. Es gibt im Rhein-Main-Gebiet kaum andere Anbieter.
Und die Ausweitung der Angebote des Vereins macht sich durch eine größere Zahl von Mitgliedern bemerkbar, die sich längerfristig einbringen können.
Mit den besten Wünschen
Udo Gann
Missbrauchsthemen e.V., www.missbrauchsthemen.de, udo.gann@missbrauchsthemen.de
Missbrauchsthemen e.V.: Selbsthilfe und Lotsendienst benötigt Geld
Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung
der Verein Missbrauchsthemen e.V. Offenbach bietet im Raum Offenbach, Darmstadt und Frankfurt Selbsthilfegruppen und Lotsendienste für vergewaltigte oder in der Kindheit sexuell missbrauchte Frauen und Männer. Wir benötigen Ihre Unterstützung für unsere Arbeit.
Ralf ist seit einigen Jahren Mitglied einer unserer Selbsthilfegruppen. Er wurde als Kind von seiner Mutter sexuell missbraucht. Eines seiner (2011) abschließend bearbeiteten Themen hieß Verzweiflung:
„Seit ungefähr einem Jahr bemerkte ich vor dem Abdriften in mein Suchtverhalten ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es sonst nicht aushalten. Dann hatte ich über Monate immer wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden lang nachzuspüren. Dabei stellte ich fest, dass die Leere gar nicht leer war, sondern aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch bestand. Dieses konnte ich nun öfter zulassen. Es fühlte sich an wie eine elastische Blase im Bauch, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befand, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt war.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich auf die Idee, es könnte etwas sein wie psychischer Schmerz, Demütigung oder Verzweiflung, oder alles zusammen. Ich habe dann in der Selbsthilfegruppe die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn solche Gefühle bei ihnen zeigen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich bereits beim Nachhauseweg sehr berührt. Ich begriff: Mein Gefühl war die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens, als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, mich aber nicht wehren konnte.
Das Gefühl war danach weg und ist bis heute auch nicht mehr aufgetreten. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt."
Bei vielen Betroffenen sind die Folgen Posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste, Zwänge oder Depression. Die Betroffenen haben Probleme mit Nähe zu anderen Menschen, mit Vertrauen, mit ihrer Sexualität, mit dem eigenen Selbstwert, mit starken Gefühlsschwankungen, mit Freude am Leben. Neben Psychotherapien sind Selbsthilfegruppen ein hervorragendes Mittel die Trauma-Folgen zu bearbeiten, zu erleben, dass man nicht allein ist, dass es Gleichfühlende gibt, dass man sich gegenseitig helfen kann, dass man nicht mehr Opfer ist.
Der Verein Missbrauchsthemen e.V. Offenbach bietet Selbsthilfegruppen für Männer, für Frauen, aber auch gemischte Gruppen für Frauen und Männer im Rhein-Main-Gebiet an. Und er bietet einen Lotsendienst für hilfesuchende Menschen oder für diejenigen, die nicht sicher sind, ob sie missbraucht wurden. Dafür hat Missbrauchsthemen e.V. seit August 2010 entsprechend kompetentes Personal eingestellt und organisiert inzwischen sechs Selbsthilfegruppen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt.
Wir benötigen für die Finanzierung der Personal- und Sachkosten jährlich noch ca. 20.000,- Euro. Mit Ihrer Unterstützung können wir die finanzielle Basis für eine langfristige engagierte Arbeit in diesem Bereich gewährleisten. Jeder Betrag hilft uns. Spenden sind bei der Einkommensteuer absetzbar.
Wir bitten um Rückmeldung unter udo.gann@missbrauchsthemen.de.
Oder spenden Sie direkt an:
Missbrauchsthemen e.V. Offenbach, IBAN: DE22 5019 0000 6101 7699 90
Pressestimmen:
Hier können die Geschichten von Betroffenen gelesen werden. Es sind teilweise kurze Versionen und aber auch längere Versionen.
Beim Lesen dieser Geschichten achten Sie bitte darauf, wie es Ihnen damit geht. Die Geschichten können triggern.Alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum
Meine Geschichte als kleiner Junge, vom Sex mit meiner gewalttätigen Mutter, von den Folgen dieses Traumas im Erwachsenenleben und viel von meiner Heilung. Und eine Geschichte von meinen Stärken und Vorlieben. Eigentlich eine optimistische Geschichte.
Sex und Gewalt mit Mutter
Geboren 1955 im Schwäbischen, wurde ich ab meiner Geburt bis zum Alter von 13 Jahren von meiner Mutter sexuell missbraucht, auch geschlagen. Wie es mir ging, war irgendwie nicht wichtig, niemandem, außer mir.
Mein Vater half mir nicht, er wusste vom Missbrauch meiner Mutter und hat sie geschützt. Nach außen und vor allem mir gegenüber. Als ich mich im Alter von drei Jahren bei ihm über Mutter beschwerte, sagte er „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum.“ Tja, falls mir das nicht passte, hatte ich eben Pech gehabt. Er war ein Lügner und Mittäter.
Danach hatte mich Mutter eiskalt erwischt. Sie würgte mich, im Stehen. So zeigte sie mir, wie sie weiteres Reden bestrafen würde. Ich bekam einen riesigen Schreck und zitterte am ganzen Körper. Es wurde mir heiß und kalt. Die direkte Morddrohung hatte was. Es entstand keine Verwirrung, es war eine klare Sache: wenn du redest, töte ich dich.
Die erste schwere Begebenheit geschah, als ich 6-8 Wochen alt war. Meine Mutter ließ mich an der Brust trinken. Solange, bis ich genüsslich am nuckeln war. Dann nahm sie mich von der Brust weg und schob meinen Kopf zwischen ihre Beine, um dort weiter zu nuckeln. Als sie ihren Orgasmus hatte, hat sie mich beinahe erstickt. Keine Luft, Nase verstopft, Mund voll, und satt wurde ich dabei auch nicht. Diverse Folgen gehen bzw. gingen auf dieses Ereignis zurück. Mein linkes Nasenloch fühlt sich häufig verstopft an. Beim Einschlafen hatte ich lange das Gefühl, meine Halskette würde mich würgen. Noch esse ich eher schnell, denn die Mahlzeit könnte mir von jemandem weggenommen werden.
Sex mit Mutter hörte so bald nicht mehr auf. Mit zwei bis drei Jahren befriedigte ich sie auf dem Elternbett mit der Hand und mit dem Mund, sie nahm meinen Penis in den Mund und lutschte daran. Oder sie spielte mit den Händen und dem Mund daran herum. Oft endete solcher Sex in Gewalt oder in Vorwürfen. Ich war zu klein, um ihr jedes Mal einen Orgasmus machen zu können. „Ich müsste es besser können, ich bin nicht gut genug“ ist ein Grundgedanke, den ich daraus entwickelt und auf mein ganzes Leben übertragen habe, insbesondere auf mein Verhalten gegenüber Frauen. Diesen Gedanken entwickelte ich nicht selbst, so doof war ich auch als kleiner Junge nicht. Sie trichterte ihn mir jahrelang ein. Und ich begann ihr zu glauben.
Nun, sie brachte mir bei, immer besser zu werden. Sie lockte, sie versprach mir tolle Erlebnisse, ich würde das doch alles auch wollen, ich müsse sie nur so befriedigen, wie sie das mag. Ungefähr acht Jahre alt war ich, als sie anfing, mit mir zu ficken. Sie setzte sich auf mich, steckte meinen kleinen erigierten Penis in sich und ritt auf mir. Ich dissoziierte, ich war geistig nicht mehr da, ich schwebte mit den Beinen voraus durchs Haus nach draußen ins Dorf.
Sie hat mich geschlagen, sie hat mir mit dem Tod gedroht, sie hat mich fast getötet. Als kleiner Junge wusste ich keineswegs, dass ich diese Kindheit überleben würde. Ich war höchstens drei Jahre alt und kam zu Mutter in die Waschküche. Sie war gerade beim Schleudern von Wäsche und für mich völlig unerwartet, unberechenbar, ohne Begründung, einfach nur aus ihrer Willkür packte sie mich und steckte mich in die Wäscheschleuder. Sie schleuderte mich, bis ich bewusstlos wurde. Dann zerrte sie mich aus der Maschine, stellte mich auf die Beine, die knickten weg, sie stellte mich nochmals auf die Beine. Dann torkelte ich davon. Ein gewaltiger Schreck und ungläubige Überraschung warfen mich auf mein Bett. Mutter handelte im Affekt und gefährdete mein Leben mal eben so zufällig.
Mein Vater half mir nicht, meine Schwester war zwar älter als ich, aber doch zu klein, andere Menschen wussten nichts oder sie halfen nicht. Überlebenskraft fand ich außerhalb des Hauses meiner Eltern. Ich spielte mit anderen Kindern im Dorf und um das Dorf herum. Mit fünf bis sechs Jahren begann ich meine Liebe zum Lesen von Büchern zu entwickeln.
Meine Mutter hatte aufgehört, bevor ich 13 wurde. Sie befürchtete, dass sie erwischt werden könnte, dass meine Schwester es mitbekommen könnte. Denn als ich 12 war, ging meine Schwester gemeinsam mit mir auf das selbe Gymnasium. Die Gelegenheiten für Mutter mit mir alleine waren dadurch selten geworden. Für das Ende von Sex mit ihr hat sie mir Schuld- und Schamgefühle eingeredet.
Ich hatte überlebt. Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht daran, da habe ich versucht, mich selbst zu töten. Aber, ich war 16 Jahre alt geworden, lebte, und war mir sicher: sie kriegt mich nicht! Meinen Körper hatte sie, meine Seele halb, aber mein Innerstes nicht! Das feierte ich im Sommer nach meinem 16. Geburtstag, indem ich mit rauchen begann. Ich durfte rauchen, ich war 16 und fast erwachsen. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Missbrauch durch meine Mutter überlebt. Seht her, Leute: ich habe das Alter, darf rauchen, und ich lebe!
Nach dem Abitur habe ich mein Elternhaus verlassen.
Probleme als Erwachsener und irrationale Grundgedanken
Ich wurde zu einem Menschen, der kein Vertrauen hatte, außer zu mir selbst. Kam ich mit Nähe nicht zurecht, ging ich auf Abstand. Was mir wichtig war, musste ich selbst machen, nur nicht abhängig oder gar hilflos werden. Meine Kindheit zu überleben, führte zu einer langen Kette von Schwierigkeiten als Erwachsener. Aber auch zu einer fast unendlichen Kraft, Ausdauer und Energie. Wer aus solcher Kindheit hervorgeht, der ist ein Energiepaket.
Ich habe also studiert, eine Frau gefunden, nochmal studiert, zwei Töchter bekommen, war in einem Konzern als Ingenieur tätig und vor allem als Betriebsrat. Das alles passte gut zu mir. Als Betriebsrat musste ich mich der Unternehmensleitung nicht unterordnen, was ich nicht gut konnte. Ich mochte und mag keine Autoritäten, es sei denn, sie sind es wegen ihrer Fähigkeiten und nicht wegen ihrer Macht.
Bei der Geburt meiner Töchter war ich glücklich, dass es Mädels waren, beide Male. Ohne dass ich in jener Zeit den Satz bewusst kannte, wirkte „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ ganz tief in mir und ließ mich Töchter wünschen. Und ich bekam sie ja auch, also kein Stress.
„Männer sind Pfeifen und Frauen sind gefährlich“ war mein Grundgedanke über die Menschen. Männer können mir nicht helfen, wenn ich mir selbst schon nicht helfen kann. Das machte mich unabhängig, aber es war auch sehr anstrengend. Zum Glück ist das heute vorbei, wenn auch noch nicht lange. Bei Frauen muss man auf Distanz bleiben, sonst wird es gefährlich. Ich hatte nicht etwa ständig wechselnde Beziehungen - aber meinen Kampf um die Distanz, nicht untergehen wollen in der Beziehung. Und: ich müsste besser sein in der Beziehung, ich bin nicht gut genug. Wenn es in meinem Kopf hart auf hart zuging: Wünsche der Partnerin gegen meine grundlegenden eigenen Wünsche, dann war ich immer bei mir. Das machte stark und … einsam.
Hier eine Auflistung aller Grundgedanken aus meiner Kindheit, mit denen ich jahrzehntelang als Erwachsener Probleme hatte:
- Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich.
- Ich bin nicht gut genug, ich müsste das besser können.
- Bloß nicht hilflos werden: dieser Gedanke war der schlimmste, er bedeutete extreme Angst, Panik.
- Ich bin nicht wichtig, außer für mich.
- Ich bin wertlos.
- Ich darf nicht missachtet werden.
- Alles Wichtige muss ich selber tun.
Es gibt auch Grundgedanken, die ich als Lebensleitlinien behalten will:
- Ich will ein guter Mensch sein.
- Wissen und Erkenntnisse sind wichtig.
Sexualität: Natürlich kann es kaum sein, dass in diesem Bereich mein Leben zufriedenstellend verlief. Oder doch? Ich war jedenfalls bereits rund 40 Jahre alt, bis mir auffiel, dass da einiges so ganz und gar nicht stimmte. Es stimmte auch vorher schon nicht, nur hatte ich nicht darüber nachgedacht und die Probleme sozusagen vor mir selbst versteckt.
1994 trennte ich mich von der Mutter meiner Töchter. Und ich fand eine neue Partnerin, meine große Liebe. Da sie sehr viel mehr Nähe wollte, als ich gewohnt war, gab es häufiger Schwierigkeiten in der Beziehung. Hohe Hochs und tiefe Tiefs. Das führte dazu, dass ich ab 1996 begann, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Erstes Buch: „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller, zweites Buch, „Das Kind in uns“ von John Bradshaw.
Ich begab mich auf eine ungeheuer spannende Reise, und ich wusste das. Bücher folgten noch viele. Ich entdeckte nach und nach die zuvor genannten Grundgedanken. Von meinen Missbrauchserlebnissen wusste ich nichts. Meine Sexualität nahm ich bewusster wahr und entdeckte einen großen Packen Zwanghaftes.
Siehe da, ich hatte zwei Sexualitäten entwickelt: eine in etwa „normale“ Sexualität mit meiner Partnerin und eine „kaputte“ Sexualität mit bizarren Fantasien, Pornobildern, Pornokino, eine Sexualität mit mir selbst. Im Sommer 1999 waren meine Partnerin und ich gerade dabei, erotische Fantasien in unser bisheriges Beziehungsleben integrieren zu wollen. Daraus hätte sich vielleicht ergeben, dass ich aus meinen beiden Sexualitäten eine hätte entwickeln können. Kam aber ganz anders.
Wiedererinnern des Missbrauchs
Beim Abklingen eines ganz besonders intensiven Orgasmus, meine Partnerin und ich lagen noch eng umschlungen, hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. In meinem Kopf hatte es geklingelt und geleuchtet. Es war ein unglaublich intensiver Wachtraum.
Als erstes sah ich den kleinen Udo, der um Hilfe schreit, aber keinen Ton herausbringt, und deshalb die Hand hochhält, es hilft jedoch niemand.
Als zweites erlebte ich einen Schnelldurchlauf durch meine Erinnerung aller Beziehungen zu gleichaltrigen Mädchen und Frauen seit meiner Kindheit.
Als drittes eine Gewaltfantasie. „Das, ficken, kannst du nicht, das kann nur ich“… schreie ich meine Mutter an, während ich sie ficke ohne darauf zu achten, ob sie das will oder nicht. Dann werde ich zum Wolf und versuche sie zu töten, kann sie aber nur leicht zerkratzen. Dann wächst aus ihrem Unterleib ein Haifischkopf, den ich zerquetschen will, es aber nicht schaffe. Dann gehe ich als Wolf traurig und einsam fort.
Ich brauchte nur wenige Tage und einige Bücher, um zu begreifen, dass ich keine beliebige Vergewaltigungsfantasie hatte, sondern dass ich von meiner Mutter sexuell missbraucht worden war.Ich hatte eine Erinnerung!
Das war im September 1999.
Zu dieser Zeit hatte ich mich seit drei Jahren viel mit mir selbst beschäftigt, mit der Entdeckung des Missbrauchs wurde meine Innenschau jedoch noch intensiver. Unglaublich spannend, welche Energien in mir, in den Entdeckungen über mich steckten.
Ich habe unzählige Bücher verschlungen, meine Freundin geliebt, mich mit ihr gestritten, und wieder geliebt, sozusagen nebenher habe ich als Vermögensverwalter an der Börse für mich und die Kunden viel Geld verdient, bin in eine supertolle Wohnung umgezogen …
Fünf Jahre intensives Leben bis 2001, intensive Emotionen, mit vielen Erkenntnissen und Entdeckungen, Wut, Angst und Trauer.
Erste Heilungsschritte
Lesen
Ich lese viel und gerne. Inzwischen besitze ich eine ganze Menge Bücher über psychologische Themen. Das sind Geschichten von Betroffenen, Bücher über Therapieformen insbesondere Trauma-Therapie, Romane, Entwicklungspsychologie, Gefühle, Empfindungen, Bücher der Gehirnwissenschaftler.
In meinem Kopf fanden sich häufig festgefahrene Ansichten zu Themen und Problemen, die ich selbst während meiner traumatischen Kindheit erlebte. Daran änderte sich einiges.
Wissen ist wichtig.
Kontaktabbruch zu meiner Mutter
Ich hatte den Missbrauch wiedererinnert 1999, da war ich 44 Jahre alt.
Daraufhin hatte ich meine Mutter in einem Brief mit meinem neuen Wissen konfrontiert und als Wiedergutmachung von ihr gefordert: Gib es zu! Berichte mir über die Dinge, die du in meiner Kindheit sexuell mit mir gemacht hast!
Wie erwartet hatte sie bestritten. Ich brach den Kontakt ab. Ebenso zu Vater und Schwester. Meine Schwester konnte mir nicht glauben. Mein Vater 'glaubte' mir ebenfalls nicht: dass er ein Lügner war, wusste ich noch nicht.
Selbsthilfegruppe
Ich suchte und fand andere Männer, um eine Selbsthilfegruppe ‚Als Junge missbraucht‘ zu gründen. Seit 2001 besteht diese Gruppe und es ist eine tolle Einrichtung. Gäbe es sie nicht, würde ich sie gründen! Wir treffen uns wöchentlich, erzählen, fragen nach, helfen und lösen Probleme. Inzwischen habe ich zwei weitere Selbsthilfegruppen gegründet. Die Mitglieder sind Frauen und Männer. Das war für meine persönliche Entwicklung außerordentlich wichtig.
Innere Bilder
Über viele Jahre hinweg habe ich intensiv mit inneren Bildern gearbeitet.
Ich habe einen inneren Wohlfühlort entwickelt. Das ist ein etwas verwilderter Garten in meiner Fantasie, den außer mir niemand finden kann, in dessen Zentrum eine Badewanne steht.
Ich liebe baden! Ein Tischchen neben der Wanne mit Buch, Kaffee, Zigaretten, Telefon. So kann ich mich für Stunden wohlfühlen.
Mit der Methode Innere Bilder habe ich eine innere „Familie“ entwickelt. Die einzelnen Figuren stellen Anteile von mir selbst in meiner inneren Wahrnehmung dar. Da gibt es einen kleinen Jungen, ein kleines Mädchen, einen Wolf, einen jüngeren erwachsenen Mann und eine Frau, einen Denker, und vorübergehend auch Täteranteile von Vater und Mutter. Außerdem ab 2011 einen Teenie, ein Baby und den Grauen.
Mit dieser Methode war ich in der Lage, den Täteranteilen in mir einen korrekten, akzeptablen Platz zuzuweisen. Enttäuschung über Vater und Wut über Mutter schienen damit abgeschlossen.
Meine Mutter habe ich auf meiner „inneren Bühne“ wahrscheinlich 50 Mal umgebracht: mal schnell und hart, mal ganz genüsslich gefoltert und gequält. Der richtige Weg, weil nur der sich gut anfühlte, war dann, ihr Geschlecht zu zerstören. Indem ich den aus ihrem Unterleib wachsenden Haifischkopf mit einer Drahtschlinge herausriss.
Meinem Vater schnitt ich die Zunge ab. Wie ich fand, eine angemessene Lösung für einen Lügner.
Danach saß er auf einem Stuhl und las Simmel. Meine Mutter saß daneben in einem Sessel und strickte.
Im Sommer 2011, kurz vor dem Ende meiner Trauma-Bearbeitung flogen dann doch beide aus der inneren Familie hinaus. Mutter wurde vom Wolf gerissen - dismal mit Erfolg. Und Vater wurde als Lügner gebrandmarkt und als vogelfrei ausgestossen.
Neue Entdeckungen seit Anfang 2010
EMDR
Die bislang am weitesten gehenden Entdeckungen begannen mit einer EMDR-Sitzung (EMDR ist eine der Trauma-Therapie-Methoden: dabei bewegt der Klient die Augen schnell von rechts nach links und zurück. Dies bewirkt eine verbesserte Verknüpfung der beiden Gehirnhälften miteinander. Dadurch kommen traumatische Erinnerungen leichter an die Oberfläche und können verarbeitet werden) mit meinem Therapeuten. Es war eine Fantasiereise in meine Erinnerungen.
Tagebucheintrag 15.1.2010:
ich bin zwei Jahre alt, liege auf dem Küchentisch, habe die Hose heruntergelassen. Meine Mutter spielt an meinem Penis mit den Händen. Dann ist sie zwischen meinen Beinen, hat mich zum Rand des Tisches gezogen. Meine Knie sind angewinkelt. Sie saugt und knetet meinen Penis.
Der wird steif und riesengroß. Sie trägt einen hellen Unterrock und reibt sich im Stehen mit meinem Riesenpenis die Scheide. Dann beugt sie sich zu meinem Gesicht und ich lecke ihre Brustwarzen. Dann richtet sie sich wieder auf und steckt meinen Penis in ihre Scheide, er ist immer noch überdimensional groß.
Plötzlich hat sie den Penis und ich die Scheide, dann wieder zurück. Sie dreht sich um und steckt sich meinen Penis von hinten in ihre Scheide. Plötzlich wird er kleiner, normale Kindergröße und es bilden sich Tropfen. Sie knuddelt den Penis, nimmt ihn in den Mund, aber er wird noch kleiner und weich. Ich will weg, sie hält mich mit der zweiten Hand auf meiner Brust fest.
Dann wird sie sauer, stößt mich über den Tisch, ich falle auf der anderen Seite auf die Sitzbank herunter. Sie verlässt die Küche und knallt die Tür zu. Ich setze mich auf und bin ganz traurig. Wieder habe ich es nicht hinbekommen, dass sie zufrieden ist. Ich will hier weg.
Sie kommt zurück und jagt mich aus der Küche, ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich in die hintere Ecke neben dem Wohnzimmerbuffet. Dort weine ich still, ich will hier weg, ich kann mich nicht bewegen.
Dann kommt meine Mutter ins Wohnzimmer, zerrt mich aus der Ecke und schlägt mich gegen Kopf oder Hals, da stürze ich auf die Couch und bleibe da liegen. Ich rolle mich in einer Ecke der Couch ein. Dort liege ich sehr, sehr lange. Jahrelang. Ich will weg hier, keiner hilft mir, hoffentlich ist es bald vorbei, ich kann mich nicht bewegen, ich schütze mein Innerstes, das kriegst du nicht. Ich zittere, es ist mir schlecht, es kotzt mich an. Ich muss pinkeln, mir tut der Kopf weh. Hoffentlich ist es bald vorbei, wann ist es endlich vorbei?
Dann wird plötzlich für einen Moment aus dem Kleinkind ein Erwachsener und wieder zurück. Dann kommt Bewegung in den kleinen Jungen, er setzt sich auf, er wird größer und älter, 10 – 12 – 15 Jahre. Er steht auf und geht zur Wohnzimmertüre hinaus, fühlt sich stark, geht auch zur Haustüre hinaus. Auf der Außentreppe riecht er die Luft und spürt den Wind. Es fühlt sich gut an, dann geht er die Treppe runter und setzt sich auf die unterste Stufe. Da wird er zum 5jährigen, der ein Buch hat, und zum Erwachsenen, wieder zurück, wieder vor, mehrfach.
Dann steht der Erwachsene auf, der Kleine springt ihm auf den Arm, lehnt seinen Kopf an Schulter und Brust des Großen. Der Große, ich heute, gehe zu meinem Auto, steige ein und fahre los. Ich fahre eine Schleife im Dorf und komme nochmals am Haus vorbei. Da steht meine Mutter auf der Außentreppe und fuchtelt mit den Armen: gib mir meinen kleinen Jungen zurück, ich will ihn wiederhaben. Ich lache, ich freue mich und der kleine Junge neben mir und in mir lacht auch. Ich fahre weiter und öffne das Verdeck. Dann fahre ich nach Hause, nach Frankfurt, esse und trinke in einer Raststätte. Dann komme ich in Offenbach an, im Zimmer des Therapeuten, ich beginne meine steifen Beine und Hände zu bewegen, habe Kopfschmerzen von EMDR und muss dringend zur Toilette.
Kommentar: die am Beginn der Sitzung genannte Aussage, dass ich beim Missbrauch hilflos sei, fühlte sich danach ganz anders an. Ich bin nicht hilflos, ich habe den Terror von ihr aus eigener Kraft überstanden. Es hat Jahre gedauert, aber ich war nicht hilflos. Sie hat mich nicht zerstört, ich habe es geschafft.
Danach hat es wochenlang in meinem Kopf gearbeitet, ohne dass etwas davon in mein Bewusstsein kam. Auch nach der zweiten EMDR-Sitzung im Februar war das so.
In dieser Zeit hatte ich wieder Kontakt zu meiner Schwester, sogar recht intensiven. Sie war an Krebs erkrankt und verstarb im Juni 2010. Da sie im selben Haus lebte wie meine Mutter, entstand auch zu dieser wieder Kontakt. Der bekam mir nicht gut. Auch das Elternhaus betrat ich dadurch wieder. Damit hatte ich Kontakt zum Tatort. Dieses Haus wird jetzt gerade verkauft. Ob die Kontakte zu Täterin, Tatort und Umfeld eine Rolle spielten bei meiner weiteren Entwicklung weiß ich nicht, mein Therapeut meint ja. Ich glaube, dass die EMDR-Sitzungen die wichtigere Grundlage wurden.
Urvertrauen
Anfang Oktober 2010 hatte ich in mehreren Träumen die Integration des inneren kleinen Mädchens erlebt. Bislang war mir dieses kleine Mädchen noch ziemlich fremd. Ich wusste nur, dass sie es war, die den Sex mit Mutter aushalten musste. Der kleine Junge war der mit der Angst vor Hilflosigkeit, der Panik, dem Stress im Vorfeld. Wenn es losging mit dem Sex durch meine Mutter, wurde der kleine Junge zum kleinen Mädchen.
Plötzlich verschmolz dieses kleine Mädchen im Traum in der Person von Scotty aus Raumschiff Enterprise mit mir. Der Vorgang war nicht ängstigend, aber was sie mitbrachte, sehr: Mutters Brutalität, mein Leid und meine Verzweiflung.
Ich entdeckte, dass mein zwanghafter Drang zu Pornografie kein wirklicher Automatismus war. Ich saß nicht einfach da und plötzlich überfiel mich der Drang, Pornofilme im Internet anzuschauen. Nein, ich saß da und es überfiel mich Leere. Um die nicht zu spüren, schaute ich Pornobilder, ich betäubte mich damit!
Und dann kam er, der spannendste Tag seit der Geburt meiner beiden Töchter, der 20. Oktober 2010.
Morgens um drei oder vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte ein unlösbares Problem, das Problem mit dem Tod, gelöst.
Tagebucheintrag 20.10.2010:
Tod:
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich mir nichts mehr vorstellen kann. Wie löse ich das auf?“ Dieser Satz ist viele Jahre alt. Damit endete bisher jede Beschäftigung mit dem Tod.
Heute Nacht entdeckte ich den ersten Lösungsansatz meines Lebens: „Vertraue auf dich. Wenn es so weit ist, wirst du es wissen.“
Diese Antwort kam aus meinem tiefsten Inneren. Von Gott, oder meinem göttlichen Kind, oder vom kleinen Mädchen…
Klingt mystisch? Schlagartig ging es nicht mehr um das Rätsel des Todes, sondern um viel mehr: mein Leben! Ich hatte soeben einen großen Brocken Urvertrauen zu mir und zum Leben bekommen. Urvertrauen, nichts wirklich Mystisches, sondern etwas zutiefst Menschliches. Und damit ging es richtig los!
Auflösung oder Veränderung aller problematischen Grundgedanken
Meine größte Angst war die Angst vor Hilflosigkeit. „Ich muss mir immer selbst helfen können, bloß nicht hilflos werden“. Wenn ich mir jetzt hilflose Situationen vorstelle, empfinde ich „vertrau auf dich. Es wird irgendwie eine Lösung geben.“
Die Angst vor Hilflosigkeit gibt es nicht mehr!
Leere gibt es nicht mehr!
Was ist das, Leere? Hatte ich damit mal Probleme? Es ist: Schwere, Morast, Ekel, Hilflosigkeit, die Leere ist nicht leer.
„Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich“. Mein Vater hat beim Missbrauch meiner Mutter geholfen, er ist Mittäter. Dass mein Vater mir nicht geholfen hat, war eine verkehrte Betrachtung. Er war kein „Nichthelfer“, er war ein „Mittäter“. Er hat mich mit dem Satz „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ mit voller Absicht angelogen. Es war ihm sogar recht, dass ihn sein kleiner Sohn für eine Pfeife hielt. Hauptsache, der Sex durch die Mutter wird nicht entdeckt. Vati, die Pfeife, wurde zu Fritz, dem Lügner und Mittäter.
‚Männer sind Pfeifen‘ gibt es nicht mehr!
Mein Vertrauensproblem gibt es nicht mehr! Ab sofort ist es korrekt zu sagen: ich habe ein Problem mit Lügen. Die, die ich als Kind als Wahrheiten gelernt hatte und in meinem Gehirn zu automatisierten Gedanken oder Gefühlen oder Handlungsanweisungen entwickelt hatte. Wo mein Vater mich belogen hatte, wo meine Mutter mich belogen hatte. Seither achte ich auf solche möglichen Lügen.
‚Ich bin nicht wichtig‘ und ‚ich bin wertlos‘ gibt es nicht mehr!
Die anderen Grundgedanken haben ihre Schärfe verloren, sind vom „müssen“ zum „sollen“ herabgestuft, Wut zu Ärger.
Meine Sexualität heute: Vor 10 Jahren war es eine gute Lösung, zwei Sexualitäten zu haben. Konnte ich doch die „normale“ Sexualität genießen und die „kaputte“ dem Missbrauch zuordnen und verteufeln. Seither hat sich viel verändert. Erst ganz langsam, in den letzten Monaten immer schneller. Meine „kaputte“ Sexualität ist nicht mehr zwanghaft. Ich kann sie sogar gezielt benutzen, um mich zu betäuben, wenn ich das für nötig halte. Was häufiger der Fall ist. Die zwei Sexualitäten werden langsam zu einer…
Die Geschwindigkeit, mit der sich die gesamten Grundgedanken veränderten, war unglaublich. Am Abend des 20.10. war keiner mehr wie zuvor.
Vor dem Jahr 2010 dachte ich, dass ich vielleicht 10% einer möglichen Heilung erarbeitet hatte, und war mir nicht sicher, ob es Heilung überhaupt gäbe, wenn man als Kind sexuell missbraucht wurde. Heute glaube ich, dass es erstens Heilung gibt, und dass ich zweitens 80% davon erarbeitet habe. So gewaltig sind die Entwicklungen des Jahres 2010 und auch 2011. Ich habe noch nicht alles erzählt, es geht weiter.
Auflösung von Traumata
Mit der Beseitigung der meisten irrationalen Grundgedanken ist meine Heilung noch nicht am Ende. Ich habe entdeckt, wie ein Trauma aufgelöst werden kann. Dazu will ich die Geschichte erzählen, wie ich die Verzweiflung meiner Kindheit aus meinem Körper und meinem Kopf vertreiben konnte. Es war ein aktiver Vorgang. Ich war aktiv. Und ich hatte Hilfe von zwei Selbsthilfegruppen und einem Therapeuten. Und: ich konnte Hilfe einfordern und annehmen. Schließlich war der alte Grundgedanke ‚Männer sind Pfeifen und können mir nicht helfen‘ nicht mehr wirksam.
Ende November 2010: Seit längerem hatte ich klar erkennbar ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es gar nicht aushalten. Dann hatte ich hin und wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden nachzuspüren. Dabei hatte sich herausgestellt, die Leere war gar nicht leer, sondern sie bestand aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch.
Nach dem Ende meiner größten Angst, der vor Hilflosigkeit, konnte ich dieses schwere Gefühl im Bauch öfter zulassen. Das steigerte sich dann soweit, bis ich es täglich fast durchgängig spürte und halbwegs ertragen konnte.
Es fühlte sich an wie eine elastische Blase, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befindet, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt ist.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich dann auf die Idee, es könnte so etwas sein wie psychischer Schmerz, oder Demütigung, oder Verzweiflung, oder alles zusammen, oder noch mehr.
Ich hatte dann beim nächsten Selbsthilfegruppe-Treffen die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn Demütigung, psychischer Schmerz oder Verzweiflung körperlich anfühlen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich innerhalb kurzer Zeit, nämlich bereits beim Nachhauseweg, total getroffen: Das schwere Gefühl war plötzlich weg und ist nicht mehr aufgetreten.
Es war Verzweiflung. Die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens. Als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, als ich wollte, dass sie aufhört, als ich vergeblich meinen Vater informierte, als es mal zwischendurch weniger wurde, als es dann sogar schlimmer wurde, weil sie begann, mit mir zu ficken, als es Jahre um Jahre dauerte und nicht aufhörte, als ich mehrfach versuchte, mich selbst zu töten. Als ich dann endlich mit 12-13 Jahren glauben konnte, dass ich den Missbrauch überleben könnte, weil ich dachte, ich schaffe es, bis ich 16-18 Jahre alt bin. Und ich schaffte es!
Das schwere Gefühl und die Geschichte dazu, also die Verzweiflungsgeschichte, gleichzeitig in meinem Bewusstsein zu haben, bewirkten, dass ich beides als sehr harte, aber als zusammengehörende Erinnerung im Gedächtnis abspeichern konnte. Das Gefühl spukt nicht mehr in mir herum und kann sich nicht mehr als Handlungsanweisung auswirken. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt.
Meine Schlussfolgerung: Habe ich ein schweres Gefühl in mir oder eine üble Geschichte, dann gehe ich auf die Suche nach dem Gegenstück. Wenn ich das wirklich wahre Gegenstück gefunden habe, habe ich eine gute Chance, dass sich das Trauma bzw. ein Teil des Traumas auflöst.
Habe ich kein Gefühl, sondern eine zwanghafte Handlung, so suche ich nach dem Gefühl, welches durch die Zwangshandlung verdeckt wird: Ich versuche, ganz genau in meinem Körper zu beobachten und zu spüren, was da passiert in den Sekunden vor der Zwangshandlung. Mein Ziel ist nicht, die Zwangshandlung zu unterlassen, sondern das verdeckte Gefühl zu entdecken.
Nicht alles, was heute noch Probleme verursacht, ist auf den Täter zurückführbar. Vater, Mutter, Täter: Sie alle haben große eigenständige Bedeutung. Bei mir betrifft diese außer Mutter noch meinen Vater. Einige meiner Grundgedanken hatten mit ihm zu tun. Und vor allem: ich war 3(!) Jahre alt, als ich mich bei ihm über Mutter beschwerte. Er hätte mir 10(!) weitere Jahre Missbrauch ersparen können. Darum hatte meine Auseinandersetzung mit ihm eine große Bedeutung bei meiner Heilung.
Es gibt noch einen zentralen Punkt: Die Schweigemauer musste weg. Ganz weg. Der Beginn dieses Vorgangs war die Wiedererinnerung des Missbrauchs im Jahr 1999, das Ende ein Fernsehbericht des HR über mich im Februar 2011.
Heilung, oder: die Auflösung von Traumata, ist meiner Meinung nach ein Vorgang, der lange dauert, vielleicht gar nicht endet. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht ständig mit heilen beschäftigt bin. Ich bin mit essen beschäftigt, mit lesen, mit lieben, mit heilen, mit arbeiten …
Meine Ressourcen
„Vor kurzem war ich bereits die dritte oder vierte Woche hintereinander kaum arbeitsfähig. Ich war depressiv. Nicht ein einziges Mal habe ich es zum Krafttraining geschafft. Abends konnte ich mich nicht auf die Nachrichten konzentrieren und morgens kam ich vor 10 Uhr nicht aus dem Bett.“
Soll ich die vier Wochen wirklich so beschreiben? Oder vielleicht eher so:
„In den letzten drei bis vier Wochen saß ich jeden zweiten Tag auf dem Balkon, habe gelesen und teilweise in der Sonne gebräunt. In meinem Lieblingscafé war ich ebenfalls mehrfach, habe Kaffee getrunken, Menschen beobachtet, gelesen, Notizen gemacht. Ich liebe lesen. Und wenn es nicht regnete, fuhr ich fast täglich mit dem Fahrrad am Main entlang. Abends saß ich dann gelegentlich in der Badewanne mit Buch, Kaffee, Papier, Stift, Telefon, genoss die feuchte Wärme und entspannte mich.“
Beide Versionen sind „wahr“.
Weil ich die zweite Version sehr gerne mag, liste ich anschließend meine Stärken auf. Auf neudeutsch: meine Ressourcen. Was kann ich? Was mag ich gerne? Das Wichtig nehmen dieser Ressourcen führt dazu, dass mein Tagesablauf immer angenehmer und optimistischer wird.
Meine Ressourcen in meinem Innern:
- ich kann selbständig relativ autark leben
- ich denke analytisch
- ich kann komplexe Probleme lösen
- ich arbeite mit inneren Bildern
- ich kann mir Wissen jederzeit aneignen
- ich habe umfangreiches Wissen
- ich habe einen inneren Wohlfühlort
- ich bin intelligent
- ich bin neugierig
- ich bin geduldig
- ich kann mich einfühlen
- ich kann kreative Ideen entwickeln
- ich kann mich nach innen konzentrieren
- ich kann mich gut beobachten
- ich kann Gefühle betäuben
- ich bin hilfsbereit und ehrlich
Meine Ressourcen außerhalb von mir:
- Ich habe Freunde
- ich bin in Selbsthilfegruppen verankert
- Badewanne
- interessante berufliche Tätigkeiten
- ausreichend Vermögen
- meine Töchter
- ich bin attraktiv
- ich lese gerne
- ich habe viel Wissen
- ich liebe es, im Café zu sitzen
- ich fahre gerne Rad
„Aus leben wird lieben, wenn du ein ‚i‘ einfügst.“
April 2011 - UdoAlle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum: Fortsetzung
Ich bin genau richtig, so wie ich bin
Im April 2011 war ich überzeugt, einen großen Teil meiner Heilung erarbeitet zu haben. Und heute? Ich bin überm Berg und auf dem Weg zum Meer ...
Es gäbe eine Menge zu erzählen, was sich im letzten Jahr alles bei mir veränderte. Vielleicht ein paar einzelne Aspekte:
"Ich bin nicht gut genug. Ich müsste das besser können." Diesen tiefsitzenden Grundgedanken hatte ich vor mehr als 10 Jahren entdeckt. Er hatte mir das Leben schwer gemacht. Seit Oktober 2010 hieß er "ich sollte das besser können." Eine gewaltige Entlastung. Seit Februar 2012 heißt er "ich bin gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin". Ein zauberhafter Grundgedanke.
Ich kann alles in meinem Körper fühlen, was mit mir passiert. Wie ich auf Menschen um mich herum reagiere, kann ich spüren. Nicht nur Emotionen wie Trauer, Wut, Freude, auch deutlich schwächere Körperempfindungen, ihre Veränderung. Ständig. Ich kann mich gezielt darauf konzentrieren. Ich kann das Fühlen auch abstellen. Manchmal auch nicht. Unglaublich.
Ich habe im März meinen Geburtstag gefeiert als den ersten Geburtstag nach dem Ende meiner Trauma-Folgen. Über 20 Menschen, die ich liebe, waren da. Ich fühlte und dachte und nahm mich und die anderen wahr. Ich war völlig in der Gegenwart.
Ich hatte eine kurze Liebesgeschichte. Ich fühlte die Freude und Liebe. Beim Ende fühlte ich die Trauer. Nicht nur das, ich könnte die Gefühle in meinem Körper bis ins Detail beschreiben. Körperlich beschreiben.
Ich habe Lust, meine Geschichte zu erzählen, auch öffentlich. Die NDR-Doku vom 19.3.12, in der ich vorkam, hat mir gefallen. Ich fühlte mich bei der Erstellung, wie auch beim Anschauen und bei den Reaktionen anderer Menschen darauf, wohl. Die Aufnahmen allerdings fand ich körperlich anstrengend. So wie ich bin, bin ich genau richtig. Klasse. Keine Angst, keine Wut, keine Scham. Zufriedenes Wohlfühlen über mich und Zorn und Trauer über die alten Sex- und Gewaltaktionen und die Lügen von Mutter und Vater.
Früher hätte ich mich nicht in den Mittelpunkt getraut. Das wäre gefährlich gewesen und beschämend. Sozusagen unter Todesstrafe. Ich benötige nicht mal Mut dazu.
Neugier und mein Wunsch zu erzählen, dass Trauma auflösbar ist, und eine Portion Lampenfieber bei neuen Aktivitäten. Spannend, interessant, aufregend, wohlfühlend, leicht und locker. Ich laufe geradezu über vor lauter solchen Empfindungen.
Es entstehen laufend weitere interessante Entdeckungen und auch Erinnerungen. Ich fühle mich sehr lebendig.
"Frauen sind gefährlich" gib es nicht mehr.
Was war passiert, damit der Grundgedanke "ich bin genau richtig, so wie ich bin" entstehen konnte?
Ich konnte ein Gefühl so ähnlich wie Hunger, nur deutlich schwächer, aber unangenehm, seit ungefähr Sommer 2011 klar wahrnehmen. Früher reagierte ich darauf mit: viel essen oder süss essen oder scharf essen oder mit Kaffee, Säften, Zigaretten. Dann entdeckte ich (mit Hilfe von Achtsamkeit, Focussing, EMDR, Innere Bilder), dass ich als Baby von 6 Monaten Sicherheit spüren wollte: essen satt, wenn Hunger; festhalten auf Arm wenn einsam, usw.. Das fehlte mir.
Darauf hin gab ich mit meinen inneren Anteilen, insbesondere den kleinen Kindern, dem 16-jährigen und den jungen Erwachsenen dem Baby immer wieder, was es brauchte, wenn ich das unangenehme Gefühl wie Hunger spürte. Seit Februar 2012 ist das unangenehme Gefühl wie Hunger nicht mehr da.
Dann entdeckte ich, dass mir sofort die Tränen kamen, wenn jemand sagte (zu mir oder so, dass ich es hörte), dass ich etwas getan hätte, was ihr oder ihm gut tat. Nicht als Lob, sondern als Feststellung! Beim Nachspüren erkannte ich, dass es sich dabei um ein Verhalten von mir handelte, welches ich gerne tat, ich mich freute, es tun zu dürfen, welches mir leicht fiel, welches einfach aus mir herausfloss, weil ich so bin, wie ich bin. Ein Verhalten mit dem Gefühl, ich sollte mich bei der anderen Person bedanken, dass ich es tun durfte. Inzwischen muss ich bei derartigen Aussagen nicht mehr weinen.
Ich war so, wie ich bin, und anderen Menschen tat das gut. ...Wow.
Und meine Sexualität?
Nachdem ich 12 Jahre lang bewusst meine Sexualität gespalten betrachtete, entschied ich im Sommer 2011: Schluß damit. Die Sexualitäten werden ab sofort eine! Was das bedeutete, wie das gehen sollte? Ich hatte keine Ahnung.
Ich unternahm auch nichts gezielt, ausser: mich, meine Wahrnehmung und mein Verhalten gegenüber Frauen, meine Sexualität mit mir selber, meine Phantasien genau zu beobachten.
Bis heute sind sozusagen ohne mein bewusstes Zutun viele der alten Elemente meiner Sexualität in Bewegung geraten. Manche Blockaden sind verschwunden, manche Wahrnehmungen deutlich verändert. Ich lerne Sexualität neu. Es ist ungefähr so, wie wenn ein 17-jähriger und ein 57-jähriger sich gemeinsam in einem Körper befinden und die Welt der Liebe erkunden.
Selbermachen
Ich bin überzeugt, dass Heilung von Trauma-Folgen eine Arbeit ist, die jeder Betroffene letztlich selber tut. Ob es sich als 'müssen' oder als 'können' oder als 'dürfen' anfühlt, egal.
Hilfen von Therapeuten, Büchern, Filmen, anderen Personen oder speziellen Selbsthilfegruppen sind allerdings nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar.
Der Punkt ist, man benötigt Mut, Risikobereitschaft, Wissen, Feedback, Gemeinschaftsgefühl, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen und nicht zu vergessen: neben dem heilen auch leben.
Aus leben wird lieben, wenn du ein 'i' einfügst.
März 2012 - UdoHier noch keine Fachbibliothek
Wir führen Workshops durch, bei denen die Teilnehmer Körperwahrnehmungs-Methoden als Selbsthilfe lernen. Auch hier geht es um die Heilung von Traumafolgen.
Wir arbeiten im Fonds Sexueller Missbrauch der Bundesregierung mit. Schwerpunkt ist die Mitentscheidung über Hilfeleistungen für ehemalige Opfer.
Wir arbeiten mit dem Unabhängigen Beauftragten der Regierung (UBSKM) zusammen. Hier geht es vorwiegend um Öffentlichkeit und Aufarbeitung.
Derzeit bestehen 6 Selbsthilfegruppe zum Thema Kindheitstrauma bzw. Sexueller Missbrauch. In allen Gruppen können neue Mitglieder aufgenommen werden.
Außerdem besteht eine Gruppe "Männer auf der Suche".
Wir nehmen an den Selbsthilfetagen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt teil.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Opfer...
verlieren Vertrauen
entwickeln Zwänge
flüchten in Süchte
sind öfter geistig abwesend
trauen ihren Gefühlen nicht
erleben Erinnnerungen wie echt
Überlebende…
sind nicht hilflos
führen ein gelingendes Leben
sind erfolgreich
helfen sich gegenseitig
leben bewußt und intensiv
sind starke Persönlichkeiten
gehen in Selbsthilfegruppen Heilung
Heilung von ehemaligen Opfern, die an belastenden Folgen ihres Traumas leiden.
1. Schritt: Brechen der Schweigemauer
In einer Gruppe erkenne ich: ich bin nicht allein! Man
glaubt mir! Man versteht mich!
2. Schritt: Täter – Mutter – Vater:
Alle drei spielen eine eigene große Rolle.
Meine Grundgedanken:
Wobei wurden wir als Kinder belogen und verraten?
Trauma-Auflösung:
Traumatisches Gefühl und traumatische Geschichte passen
zusammen: damit löst sich das Trauma auf.
Erfolg: Ich habe über mich die Kontrolle.
Lebensentscheidungen treffe ich frei, ohne Traumazwänge.
Ich bin auf dem Weg der Heilung und ich weiß das!
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
dessen Gefühlstiefe so sehr eingeschränkt
und oberflächlich bleibt,
dass er selbst seine Gefühle nicht bewerten kann.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der seinen tatsächlichen Gefühlen nicht traut.
Er braucht andere Werte, die Sicherheit geben:
Gerechtigkeit, Fairness, Achtung, Friede, Freiheit.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der zum Überleben einen starken Willen entwickelte.
Dennoch ist er innerlich hohl und leer
und kann den Lebenssinn nicht finden.
Ein Seelen-Gemordeter ist ein Mensch,
der sein Leben in Teilen lebt,
in unzusammenhängenden Fragmenten.
Integriert er, wird’s schwer.
Ein Seelen-Gemordeter kann seine Fragmente
nicht verbinden: die Werte, sie stimmen nicht!
Die Grenzen der Fragmente, die sichern das Leben,
multipel oder nicht.
Ein Seelen-Gemordeter ist eine Bombe:
Wehe, wenn Wut und Hass ausbricht!
„Doch keine Sorge, er ist ganz cool, so wie Ihr ihn kennt.“
Er hat kein Vertrauen, Ihr kennt ihn nicht.
Ein Seelen-Gemordeter ist stark.
Sein starker Wille ließ ihn überleben.
Das fürchten und das imponiert anderen.
Doch in ihm steckt ein Seelenmörder.
Ich habe viele Leben,
sie finden nicht hintereinander statt, sondern parallel.
Keines kann ich durchhalten, außer
ich kann in die anderen wechseln:
der Vater, der Freund, der Liebhaber, der Sexuelle,
der Intellektuelle, der Politische, der Materielle,
der Philosoph, der Suchende, der Schweigende.
Die Parallelität wird schärfer.
Ich lebe, als ob ich wäre wie andere auch:
Aber niemand weiß ...
Vom explosiven Potential, von der
Leere, vom Zuviel der Schrecken in mir.
Wenn ich es brauche, trete ich weg,
die Umgebung ist wie durch einen Schleier,
ich blende aus oder ein.
Ich bin, wo ich bin, und wo ich bin, bin ich nicht.Oft früher Beginn – dennoch heilbar
Sexueller Missbrauch in der Familie
Bei sexuellem Missbrauch in der Familie sind die Erwachsenen, die dem Kind bei der Bearbeitung der schrecklichen Erlebnisse helfen könnten, selbst die Täter. Das ist besonders schlimm und perfide. Es hat aber auch etwas Klares: die Eltern sind Täter und haben ihren Kindern nicht geholfen, weil sie Täter sind.
Beim Aufarbeiten unseres früheren Missbrauchs ist das A und O die Klarheit, das Wissen über die wahre Geschichte. Dazu gehören Antworten auf die Fragen: - wer waren Täter, wer half den Tätern? - was passierte genau? - in welchem Alter war ich da?
Bei der Schaffung dieser Klarheit zeigt sich als Erfahrung in den Selbsthilfegruppen, dass sexueller Missbrauch in der Familie oft bereits in den ersten Lebensmonaten oder -jahren seinen Anfang nimmt. Wer sich zunächst an spätere Missbrauchssituationen erinnert, damit aber seine aktuellen ängste oder andere Folgen nicht auflösen kann, beginnt häufig sich an frühere Geschehnisse zu erinnern.
Auch wer auf seine Körperempfindungen sehr genau achtet, kann sehr frühe Erinnerungen an sexuelle Gewalt wieder gewinnen. Unser Körper erinnert sich!
Meine Erfahrung in den SH-Gruppen mit den Menschen, die bereits länger in den Gruppen sind, ist ganz eindeutig: wenn die Erinnerung an ein Trauma mit beispielsweise 12 Jahren die heutigen Folgen nicht auflösen kann, dann ist die Geschichte mit 12 nicht komplett! Häufigster Grund ist, dass die 12-jährige Geschichte eine Retraumatisierung enthält zu einer früheren Geschichte. Das kann durchaus bis zum 1. Lebensjahr zurückgehen.
Je tiefer wir in unsere Missbrauchsgeschichte hineingehen, je frühere Beginne finden wir. Die dabei gefundenen Wahrheiten sind wichtig nicht nur wegen der Klärung, sie fühlen sich auch gut an!
Und genau damit beginnen die Traumafolgen sich aufzulösen, sie verschwinden, sie heilen. Oft früher Beginn – dennoch heilbar
Sexueller Missbrauch in der Familie - Thesenpapier
14.9.17 VHS Offenbach
Familiäres
1) Bei sexuellem Missbrauch in der Familie sind die Erwachsenen, die dem Kind bei der Bearbeitung der schrecklichen Erlebnisse helfen könnten, selbst die Täter. Das ist besonders schlimm und perfide. Es hat aber auch etwas Klares: diese Eltern sind Täter und haben ihren Kindern definitiv nicht geholfen!
2) Beim Aufarbeiten unseres früheren Missbrauchs ist das A und O die Klarheit, das Wissen über die wahre Geschichte. Dazu gehören Antworten auf die Fragen: - wer waren Täter, wer half den Tätern? - was passierte genau? - in welchem Alter war ich da?
Bei der Schaffung dieser Klarheit zeigt sich als Erfahrung in den Selbsthilfegruppen, dass sexueller Missbrauch in der Familie oft bereits in den ersten Lebensmonaten oder -jahren seinen Anfang nimmt.
3) Täter – Vater – Mutter: alle drei spielen eine eigene große Rolle.
4) Sexueller Missbrauch in der Familie bedeutet öfter als gedacht:
Mehrere Täter, Frauen wie Männer; mehrere Opfer, Jungen wie Mädchen.
Mehrere Generationen, manche waren erst Opfer und später Täter.
Es sind Missbrauchsfamilien
5) Zahlen – sie sind nichts Genaues:
Täter: ¼ Frauen und ¾ Männer
Opfer: 1/3 Jungen und 2/3 Mädchen, insgesamt jeder 10.
¾ aller Missbrauchsfälle finden in der Familie statt.
Heilendes
6) Wer auf seine Körperempfindungen genau achtet, kann sehr frühe Erinnerungen an sexuelle Gewalt wieder gewinnen. Unser Körper erinnert sich!
7) Meine Erfahrung in den SH-Gruppen mit den Menschen, die bereits länger in den Gruppen sind, ist ganz eindeutig: wenn die Erinnerung an ein Trauma mit beispielsweise 12 Jahren die heutigen Folgen nicht auflösen kann, dann ist die Geschichte mit 12 nicht komplett! Häufigster Grund ist, dass die 12-jährige Geschichte eine Retraumatisierung darstellt zu einer früheren Geschichte. Das kann durchaus bis ins 1. Lebensjahr zurückgehen.
8) Wir müssen in unsere Missbrauchsgeschichte hineintauchen. Die dabei gefundenen Wahrheiten sind wichtig nicht nur wegen der Klärung, sie fühlen sich auch gut an!
Und genau damit beginnen die Traumafolgen sich aufzulösen, sie verschwinden, sie heilen.
9) Die Traumatisierung findet im kompletten Nervensystem statt. Spüren – Fühlen – Denken.
Dort lassen sich die bis heute andauernden Folgen auch auflösen; und nur dort.
Gespräche zum Thema sind wichtig: deshalb organisieren wir Selbsthilfegruppen.
Spüren und Fühlen ist wichtig: deshalb organisieren wir Workshops zur Körperwahrnehmung.
10) Heilen heißt Selbermachen.
Selbst verantwortlich sein, sich selber helfen. Nicht mehr Opfer sein. Sich Hilfe holen, ja natürlich, verantwortlich aber selber sein.
11) Dort, wo’s zwickt, schauen wir hin. Welche Empfindungen mögen wir ganz und gar nicht? Genau dort lässt sich was finden.
12) Aktuelle Überreaktionen bedeuten Trigger. Wenn ich stark reagiere, fühle, denke bei einer ‚Lappalie‘. Diese Empfindung ist nicht falsch, ich bin nicht falsch. Allerdings: es wurde eine Erinnerung angetriggert. Und in der alten Geschichte war die Stärke meiner Reaktion angemessen.
Keine Angst vor ‚Retraumatisierung‘! Da wird in neuer Geschichte das alte Gefühl sehr stark angeregt. Wir suchen die alte Geschichte, die zum Gefühl passt.
Wir distanzieren uns z.B.: ich bin nicht das starke Gefühl, es hat einen Ort in meinem Körper und es wird wieder weggehen.
13) Starke Empfindungen aller Art können Erinnerungen sein. Wenn wir sie als solche ernst nehmen, können sie anfangen, sich aufzulösen.
Und jetzt kommt‘s: Schmerzen unbekannter Herkunft können Erinnerungen sein. Wenn sie das sind, dann sind sie auflösbar, restlos. Ich habe damit nennenswerte persönliche Erfahrungen, und einige unserer Mitglieder in den SHGen auch.
Manche Fälle von Migräne oder Fibromyalgie können Erinnerungsschmerzen sein.
14) Auch im Gelenk- und Muskelbereich manifestieren sich Erinnerungen. Wird daran gearbeitet, können die ursprünglichen Traumageschichten ‚hochkommen‘ und die Verspannungen o.ä. lösen sich auf.
Öffentliches
15) Mein Wunsch: Über sexuellen Missbrauch wird so oft und in ähnlicher Weise in der Öffentlichkeit berichtet wie über Autounfälle. Dass Missbrauch alltäglich ist, soll über die Medien erfahrbar werden.
16) Seine eigene Missbrauchsgeschichte erzählen ist wichtig. Das Problem ist nicht wirklich Scham, sondern Angst.
Meine eigene Geschichte ganz kurz: ich wuchs in einer Missbrauchsfamilie auf, Haupttäter war meine Mutter. Aber auch Vater, Großmutter, ein sadistischer Kinderschänderring. Der Missbrauch fand zw. 0 und 14 Jahren statt. Meine Haupt-Folge-Probleme waren Ängste, Hilflosigkeitsgefühle und Schmerzen (körperliche). Ängste und Hilflosigkeitsgefühle sind seit 5 Jahren restlos beseitigt. Mein Redeverbot war eine Todesdrohung. An den Schmerzen und an Sexualität arbeite ich.
17) Worum geht es? Es geht um die Verhinderung von Missbrauch. Und damit als allererstes um eine ständige öffentliche Berichterstattung. Täter müssen wissen, dass sie in Zukunft erwischt werden, weil wir Betroffene und die Medien darüber berichten.
Ich freue mich über eine Diskussion meiner Thesen.
Auch über diesen Vortrag hinaus. Wo, wie und wann auch immer.
Udo Gann
udo.gann@missbrauchsthemen.de
Wir sind Anlaufstelle im Rhein-Main-Gebiet für Frauen und Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht oder anderweitig traumatisiert wurden.
Wir bieten für Frauen und Männer Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Lotsendiensten und Selbsthilfegruppen. Es geht dabei um die Heilung von Traumafolgen aus der Kindheit.
Wir halten entsprechende personelle und fachliche Kompetenzen bereit.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Persönlicher Lotsendienst
Benötigen Sie Hilfe, weil Sie in Ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden oder sind Sie sich nicht sicher, was Ihnen widerfahren ist?
Sind Sie Partner/in, Verwandte/r oder Freund/in einer von Missbrauch betroffenen Person?
Wir bieten Ihnen einen persönlichen Lotsendienst, um über Ihre nächsten Schritte zu beraten: udo.gann@missbrauchsthemen.de. Sie erhalten schnelle Antwort per Mail oder wenn Sie möchten per Telefon.
Was könnte Ihnen gut tun? Vielleicht ein persönliches Gespräch, ein ausführlicher E-Mail-Kontakt, Literatur, ein Gespräch über Therapiemöglichkeiten, eine Selbsthilfegruppe, eine Auszeit von Ihrer jetzigen Arbeit, Reden über Ihre Erinnerungen, oder auch das Gegenteil.
Systemisches Denken - Vielzahl von Ansätzen
Viele Ideen, die wirken. Suchen Sie sich aus, was zu Ihnen passt und was Sie jetzt gerade brauchen können. Und dann tun Sie es.
1) Automatisches Verhalten analysieren:
Was liegt zwischen Auslöser und Reaktion? Gedanken, Körperwahrnehmungen, Emotionen. Wo sind Lügen aus der Kindheit versteckt?
2) Kontakt zum inneren kleinen Kind:
Das Kind könnte wahrnehmen lernen, dass es überlebt hat, dass es den Erwachsenen gibt, dass seine Strategien superspitzengut waren. Und dass es seine wahren Reichtümer an Emotionen, z.B. Freude, Urvertrauen jetzt einbringen kann und mit den anderen Teilen verschmelzen kann. Keine Angst davor!
3) Abbau von Generalisierungen:
„Alle Frauen sind gefährlich“ -- alle Mütter, -- meine Mutter. Wirklich alle Frauen? Was bedeutet „gefährlich“ konkret?
4) Lücken ergänzen:
„Es ist alles Mist“. Was ist „es“? Wer oder was ist „alles“?
5) Grundgedanken und -muster entdecken:
Alle Frauen sind gefährlich. Angst vor Hilflosigkeit. Ich bin nichts Wert. Ich bin schlecht. Ich bin selbst schuld.
6) Grundgedanken und -muster auf ihre Entstehung zurückführen:
Mein Vater brachte mir mit 3 Jahren bei, dass alle Mütter an ihren kleinen Jungs rumspielen. Ich empfand meine Mutter als gefährlich, --alle Mütter, --alle Frauen.
7) Verzerrungen zurechtrücken:
„ich kann dir gute oder schlechte Gefühle machen, ich kann dich in den Tod treiben.“ Nein!
8) Man kann die Welt auch anders sehen:
Es gibt Menschen, die eher sich selbst Verantwortung geben und es gibt Menschen, die eher Verantwortung an andere geben. Optimisten – Pessimisten.
9) Analytisches Denken:
Gegebenheiten beobachten, Zusammenhänge beobachten, Reaktionen beobachten. Dann Ursachen analysieren. Dann Folgen überlegen. Keine Bewertungen: kein gut oder schlecht, kein richtig oder falsch.
10) Wahrheiten finden! Lügen suchen:
Wir tragen in erheblichem Umfang Verantwortung mit uns herum, die nicht unsere ist. Grund: wir tragen in uns „Grundwahrheiten“, die Lügen sind. Sehr nahestehende Menschen haben uns als kleine Kinder angelogen bzw. uns verraten. Wahrheit tötet nicht, Wahrheit heilt.
11) Somatic Experiencing – Übungen:
Der Körper entwickelt körperliche Sicherheit und Stabilität. Erdung – Gleichgewicht – pendeln – kämpfen – flüchten.
12) EMDR – getrennte Teile finden sich:
Die beiden Gehirnhälften verbessern den Austausch von Informationen. Dadurch werden Geschichten komplett und sie können als Erinnerung abgespeichert werden. Sie funktionieren damit nicht mehr als Handlungsanweisungen.
13) Achtsamkeit / Focusing – Ende der überdrehten Verantwortung:
Innere Gegebenheiten werden beobachtet und nicht bewertet. Körperempfindungen werden dadurch wahrnehmbarer. Sie beobachten und warten, was im Körper passiert.
14) Imaginationen – sanftes Wiederentdecken der inneren Wirklichkeit:
Distanziertes Umgehen mit inneren Wirklichkeiten, spielerisches Umgehen. „Sicherer Ort“, „Wohlfühlort“. Die eigenen inneren Anteile finden und erleben.
15) Rollenspiele:
Sohn – Vater – Gespräche, Tochter – Vater – Gespräche, usw. kann starke Erkenntnisse schaffen.
16) Starke Reaktionen haben starke Ursachen. Ganz sicher!
Emotionen sind immer wahr! Körperempfindungen sind immer wahr! Sind sie sehr stark, haben sie entsprechende Gründe: diese suchen ist hilfreich. Meist stammen sie aus sehr, sehr früher Kindheit.
17) Der Körper spricht wahr:
Eine Blockade macht Sinn – auch wenn ich diesen noch nicht gefunden habe. Die Blockade ist keine Schwäche, die überwunden werden müsste. Der Körper weiß es besser als unser Bewusstsein. Es ist eine Information, die wir entschlüsseln sollten.
18) Erinnerungen, gefühlt, körperlich, bildlich, wörtlich sind wahr:
Wie beim Puzzle: was passt, ist sinnvoll. Was sinnvoll ist, ist wahr.
19) Verantwortung gehört zu den Tätern:
Sie haben uns verraten. Wenn wir Wahrheiten finden, die für die Täter schmerzhaft sind: dafür sind die Täter selbst verantwortlich.
20) Verantwortung gehört zu den Eltern:
Vater und Mutter haben nicht geholfen, sondern, im Gegenteil, das Tatumfeld geschaffen. Sie haben gelogen. Sie haben sich nicht fürsorglich gekümmert. Sie waren in ihrer eigenen Welt. Dafür und für die Entstehung der Folgen in uns sind Vater und Mutter verantwortlich, nicht wir. Wir sind verantwortlich dafür, die Folgen in uns zu ändern und sie nicht weiterzugeben.
21) Ende des Schweigens:
Kraftvoller Beginn der Heilung: Mit anderen Opfern reden. Konfrontation des Täters, Öffentlichkeit: Das ist keine unberechtigte Rache. Das ist individuelle und gesellschaftliche Notwendigkeit. Täter sollen es zukünftig schwerer haben. Und sie sollen wissen: früher oder später müsst ihr Buße tun.
22) Integration – Heilung findet statt:
Alle inneren Anteile von uns gehören zusammen, die Abspaltung hört auf. Der zutiefst verletzte Teil von uns, der bei Missbrauch / Verwahrlosung / Gewalt ins Exil gegangen ist, kann wieder zu uns stoßen. Dieser Teil bringt die fehlenden Emotionen, Urvertrauen, Spiritualität, Lebensfreude mit. Dieser Teil wird nicht von den anderen Anteilen geholt. Er wird von sich aus kommen, er entscheidet, wann. Dann heilen wir.
23) Trauma-Auflösung:
Habe ich ein starkes Gefühl (körperlich) und finde ich die richtige Geschichte dazu, dann löst sich das Trauma auf. Das gilt auch für einzelne Teile eines komplexen Traumas.
24) Was ist die stärkste Angst?
Die behindert möglicherweise weitere Trauma-Auflösungen. Dann muss sie beachtet werden.
25) Stärken stärken – nicht Schwächen schwächen
Unsere Stärken sind unsere Kraft. Sie zu pflegen und wertzuschätzen ist wichtig. Das stärkt unser Selbstbewusstsein und es macht Freude, das zu tun, was wir bereits gut können.
26) Klagen ist notwendig
Ungewohntes zu tun bringt aber erst die Veränderung. Risiken eingehen.
27) Nicht so hart sein, liebevoller sein
Vor allem zu uns selber. Und neben dem heilen auch leben.
28) Gelassenheit
zugreifen, festhalten, loslassen, lassen und nehmen: alles ist gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin.
29) Selbermachen
Heilung von Traumafolgen kann und muss jeder selber tun. Hilfen von anderen sind wichtig, außerdem benötigt man: Mut, Wissen, Risikobereitschaft, Feedback, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen.
Wenn Sie nicht sicher sind ...
... ob Ihre Schwierigkeiten mit sexuellem Missbrauch in Ihrer Kindheit zu tun haben.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder oder Jungendliche ist so schwer vorstellbar, dass es kaum zu fassen und auch nicht nebenher zu verarbeiten ist. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Und mit der richtigen Hilfe und Unterstützung.
Wenn Sie sich wie im Nebel vorkommen, nicht wissen, ob Sie sexuell missbraucht wurden, oder sich an keine Einzelheiten erinnern können, weil Sie "nur" ein vages Gefühl haben, glauben Sie diesem Gefühl. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter nahe Verwandte waren, gewaltig war der Unglaube bei Vater oder Mutter.
Trauen Sie Ihren Gefühlen
Wie auch immer Sie sich fühlen, nehmen Sie diese Empfindungen ernst. Akzeptieren Sie sich, wie Sie gerade sind. Gefühle sind nicht falsch, verwirrend vielleicht. Dies wird mit der Zeit, wenn Sie sich beraten, wenn Sie Gespräche führen, klarer werden. Suchen Sie sich gute Freunde zum Reden, sprechen Sie uns an, sprechen Sie mit einem erfahrenen Therapeuten, einer erfahrenen Therapeutin.
Und suchen Sie sich einen sicheren Ort, an dem Sie sich wohlfühlen. Das kann ein Café sein, wo Sie unter Menschen sind, das kann auch Ihr Balkon zuhause sein oder sogar ein Ort in Ihrem Innern, in Ihrer Seele. Es gibt auch keinen Grund zur Panik, die Verletzungen liegen lange zurück.
Wichtig ist aber auf Abstand zum möglichen Täter, zur möglichen Täterin zu gehen. Kontakt zu diesen Menschen wird Ihre beginnende Klarheit verhindern, wird Sie weiterhin verwirren und vernebeln. Mit dem möglichen Täter, der möglichen Täterin können Sie sich später noch auseinandersetzen.
Sie sind nicht allein
So traurig es ist, Sie sind nicht der erste und nicht der letzte Mensch, der sexuell missbraucht wurde. Es gibt andere Menschen, die diese Erfahrung ebenfalls erlitten haben, mit denen Sie sprechen können. Sprechen Sie uns an. Wir bieten Ihnen einen Lotsendienst, der Ihnen durch Ihren Nebel helfen kann, sei es durch Gespräche mit anderen Betroffenen, Beratungsgespräche, Bücher, Therapie, Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, was auch immer Ihnen kurzfristig wie auch auf Dauer helfen könnte.
Sie sind nicht allein!
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.deaus Mike Lew: Als Junge missbraucht
Wir glauben Dir
Aber wir Opfer - Teil des Chors der Menschheit - antworten: "Wir glauben dir, nicht ihnen. Wir glauben dir, bevor du den Greul spürst vor dem, was dir angetan wurde, bevor du sicher und für immer weißt, was ein Verbrechen war oder ist, bevor wir uns begegnet sind, denn du bist wir, und deine Geschichte ist unsere Geschichte."
Und so beginnt es. Ich spreche zu Deinen Händen, die dieses Blatt halten, zu Deinen Augen, die diese Worte lesen und zu Deinem Herzen, das hüpft - vielleicht nur ein bisschen, vorsichtig - oder das vielleicht sogar springt bei dem Klang meiner Liebe, der ein Aufruf zur Schlacht ist. Und Deine Hände antworten, wenn sie spüren, dass sich dieses Blatt gut in Deinen Händen anfühlt. Deine Augen antworten, wenn sie zu dem einen Satz zurückgehen, den Dein Gehirn nicht gefiltert hat, sondern der direkt in Dein Herz drang. Und Dein Herz antwortet, Dein müdes, mattes Herz, das krank ist von all den Vergewaltigungen, den mit Schweigen erfüllten Jahren, den Verweigerungen, all dem Verrat und all der Feigheit. Dein Herz hat das Leben so sehr geliebt, dass Du Deine Hoffnung nie ganz aufgegeben hast, es möchte vielleicht doch Menschen geben, die Dich in der ganzen Wahrheit dessen, der Du bist, und in der ganzen Wahrheit dessen, wo Du gewesen bist, lieben und Dich deshalb nicht verletzen oder verleugnen. Dein Herz war immer, trotz all dem, was einige Menschen Dir angetan haben, bereit, der ganzen Menschheit zu vergeben, wenn nur einer vortreten und die Wahrheit sagen würde.
An diesem heutigen Tag, in diesem Augenblick, auf dieser Seite, auf diesem Blatt bin ich diese Person. Und ich sage Dir: Du bist unschuldig. Wenn Du dieses Blatt in Deinen Händen hältst, wenn Du es Deinem Herzen erlaubt hast, den grenzenlosen, in Deinem Herz schlagenden Mut und die Hoffnungen zu empfinden, die sterben zu lassen Du Dich geweigert hast, dann hast Du bereits alles in Dir, das erforderlich ist, um diesen Kampf zu seinem Ende zu führen. Dieser, unser Kampf ist nicht leicht; er findet in den grundlegendsten Schichten der menschlichen Natur statt. Aber denk daran: Wenn Du missbraucht worden bist, stehst Du schon mitten im Kampf. Dort wo's zwickt und wehtut schauen wir hin
Sexueller Missbrauch und Gewalt sind keine Einzelphänomene, von denen nur wenige Menschen betroffen sind. Die Dunkelziffer bei Missbrauch und Gewalt ist aus unterschiedlichen Gründen sehr hoch. Schließlich ist es für die Betroffenen sehr schwer, ihre Scham zu überwinden und sich zu äußern. Kinder stehen oft in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Täter/innen und können die ihnen angetane Gewalt selbst dann noch nicht artikulieren, wenn sie aus der Gewaltbeziehung in Sicherheit gebracht werden können.
Folgen eines Missbrauchs
Missbrauch ist ein Generalangriff auf das Grundvertrauen und das gesunde Aufwachsen eines Kindes. Die Folgen einer derartigen Traumatisierung reichen bis in das Erwachsenenalter, begleiten die Betroffenen ein Leben lang und können sehr unterschiedliche, schwerwiegende Ausformungen annehmen, z.B.:
- posttraumatische Belastungsstörungen
- psychosomatische Schmerzen
- ängste, Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Panikattacken
- unberechenbare Starre in Stresssituationen
- Suchtverhalten
- gestörtes Selbstwertgefühl, sich leicht ausnutzen lassen,
- harmoniesüchtig sein, Angst vor Konfrontationen
- Angst vor Nähe, kein Vertrauen zu anderen, Zurückgezogenheit
- Selbstaggression wie Selbstverletzungen (z.B. Borderline-Störung)
Die Liste lässt sich weiter fortführen. Die Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen solchen Verhaltensmustern, psychischen und körperlichen Problemen und Beeinträchtigungen und den erlittenen Gewalterfahrungen hat man oft erst in der Lebensmitte.Die Folgen von sexuellem Missbrauch erledigen sich jedoch nicht von selbst.
Verantwortungsbewusst an sich arbeiten
Ein Erkennen, Aufmachen oder Zulassen kommt irgendwann irgendwie hoch. Langsam und verdeckt oder plötzlich und direkt. Jahrelang Verdrängtes lässt sich nicht mehr stoppen. Therapeuten mit der Spezialisierung der Traumaverarbeitung sind rar, oft überbelegt und es gibt sehr lange Wartezeiten. Außerdem: Therapien reichen bei Weitem nicht aus. Wir Betroffene müssen verantwortungsbewusst an uns selbst weiterarbeiten. Es ist ein innerer Vorgang. Und dieser lässt sich leichter anstoßen und vorantreiben, wenn man sich offen und ohne Scheu mit Menschen austauschen kann, die das Gleiche erlitten und überlebt haben, die mit vergleichbaren Auswirkungen auf ihr Leben kämpfen müssen und die daher verstehend zuhören können.
Auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe zum Thema Missbrauch
Nachdem ich 2008 nach einem 10-jährigen Auslandsaufenthalt wieder in Deutschland war, suchte ich mir einen Therapeuten. Das war sehr viel schwieriger als erwartet. Dann hatte ich die Hoffnung, die richtige Selbsthilfegruppe zu finden. Auch das kam anders als ich dachte. Die Selbsthilfegruppen, für die ich mich interessierte, waren zu dieser Zeit nicht zugänglich, weil die betroffenen Frauen in der Einrichtung sich gerade neu zusammengefunden hatten und unter sich bleiben wollten. Das konnte ich zwar verstehen, aber es hat mir natürlich nicht weiter geholfen. Ich brauchte dringend Menschen, mit denen ich über mein heikles Thema sprechen konnte. Nach langer mühevoller Suche bin ich letztendlich bei einer Selbsthilfegruppe in Offenbach gelandet, bei der auch betroffene Männer waren. Das hat mich überwindung gekostet - Männer sind ja schließlich mein Thema. Aber ich bin trotzdem hingegangen. Heute bin ich sehr froh darüber. Doppelt froh, weil in dieser Gruppe offen über das Thema gesprochen wird. Mit diesem offfenen Umgang habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich habe durch Gespräche alte, mich behindernde Strategien und Blockaden erkannt und auflösen können.
Dort wo's zwickt und wehtut müssen wir hinschauen
In der Offenbacher Selbsthilfegruppe gilt das Motto: Dort wo's zwickt und wehtut, müssen wir hinschauen. Und: wir schaffen es auch selbst. Für manche Therapeuten ist das nicht die richtige Haltung; mein Therapeut hat es allerdings unterstützt! Zum Verstehen und Wachsen ist eine innere Bereitschaft und Hinsehen unabdingbar. Unsere Wunden machen uns empfänglich für Bewusstheit und änderung; dann kann unsere ursprüngliche Schwäche zur Stärke werden.
Sabine Selbermachen
Im Jahr 2001 wollte ich als Betroffener im Großraum Frankfurt in eine Selbsthilfegruppe gehen für Männer, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. So etwas gab es allerdings nicht. Darum verfasste ich einen Gründungsaufruf.
Männergruppe "Als Junge missbraucht"
Mein damaliger Aufruf führte zu einer Gruppe von drei Teilnehmern.
In der Gründungssitzung begann der erste ganz vorsichtig mit 'meine Geschichte ist eine ganz besonders ungewöhnliche Geschichte, ich wurde von meiner Mutter missbraucht.' Tja, ... wir waren alle drei genau richtig, in der richtigen Gruppe, wow! Alle drei waren wir von unseren Müttern sexuell missbrauch worden. Es gab auch weitere Täter: Väter, Großeltern, Fremde, ...
Diese Selbsthilfegruppe besteht bis heute, sie trifft sich wöchentlich in Offenbach in den Räumen des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Männer sind öfter Opfer als gedacht
Opfer wurden wir nicht nur in der Kirche oder in der Eliteschule. Viel häufiger geschah dies in der Familie oder im Umfeld der Familie. Und auch Männer sind gar nicht so selten zum Opfer geworden. Ebenso wie Frauen als Täter keine Seltenheit sind. Und es gibt in nennenswertem Umfang so etwas wie 'Missbrauchsfamilien', Großeltern, Eltern, weitere Verwandte: viele wurden Opfer und viele sind Täter geworden.
Das Trauma gemeinsam bewältigen
Die Auflösung, oder wenn man so will: Heilung, traumatischer Folgeprobleme ist möglich, auch vollständig. Ich stelle diese Behauptung auf, weil ich weiß, dass es si ist, weil ich es an mir selbst erlebt habe. Ich habe in Bezug auf ängste, Hilflosigkeit, Wut, Ekel, Scham keine Traumafolgebelastungen mehr. Gar keine.
Vermutlich gibt es nicht nur meinen Weg bzw. den Weg der Gruppenmitglieder von 'Als Junge missbraucht' zu diesem Ziel. Unser Weg war und ist: im Körper, im Denken, in den Emotionen alles aufspüren, was mit dem Missbrauch zu tun hatte. Eine Erinnerung beobachtend wiedererleben oder die Körperempfindung wiedererleben und das Wiedererlebte neu einordnen als das, was es ist: eine Erinnerung und keinesfalls Gegenwart. Wenn ich eine traumatische Geschichte ausreichend wieder erinnere, dann wandelt sie sich in eine 'normale' Erinnerung, sie wirkt nicht mehr wie 'jetzt'. Bei unserer Herangehensweise geht es konkret darum, den eigenen Körper zu spüren und wahrzunehmen, auf ihn zu fokussieren. Wir betreiben das alleine, in Gruppen oder zu zweit, wobei einer fokussiert und der andere ihn begleitet. Diese Methode kann auch in Psychotherapien angewandt werden, allerdings ist sie eigentlich eine typische Selbsthilfemethode.
Selbermachen - das Trauma in eigener Verantwortung bearbeiten
Für mich war immer wichtig, dass ich die Auflösung der Traumafolgen 'selber betreibe'. Selber machen, also in eigener Verantwortung, ist mir ein ganz wichtiges Element meines Tuns. Das galt auch dann, als ich mit einem Therapeuten an meinen Themen arbeitete. Ich hole mir Hilfe, ich selbst bin aber für den Prozess verantwortlich. Und für mich gilt: wenn ich dort, wo's in mir schmerzt, hinschaue, dann werde ich die Traumafolgen auflösen! Alle!
In unserer Gruppe erlebe ich bis heute, bei mir wie auch bei anderen, ständig kleinere und größere Auflösungen, sozusagen Aha-Effekte körperliche Art oder auch als zutiefst wirkende Erkenntnis. Seit 2011 kann ich mit meinem eigenen Namen in der öffentlichkeit auftreten, weil die alten ängste zum Redeverbot nicht mehr existieren.
Udo Gann
Einladungen zur Teilnahme an den Aktivitäten des Vereins
Selbsthilfegruppen
Workshops
Kuschelabende
Wohnprojekt
Feste
Selbsthilfegruppe Missbrauchsthemen Darmstadt
Aktuell haben wir, unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorschriften, für die Darmstädter Selbsthilfegruppe eine Sondergenehmigung für Face-to-Face Meetings
Anlaufstelle für Frauen und Männer, die als Kind sexuell missbraucht oder traumatisiert wurden.
Unsere Selbsthilfegruppe
Wir sind eine Anlaufstelle für Betroffene, die sich informieren und in Kontakt mit anderen Betroffenen kommen wollen.
Wir sprechen sowohl über unsere aktuelle Situation, als auch über unsere Erinnerungen.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortungsvoller Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer ist selbstverständlich.
Die Gruppe trifft sich jeden 2. und 4. Montag im Monat in Bahnhofsnähe Darmstadt
Über Missbrauch
Sexuelle Gewalt, emotionaler und körperlicher Missbrauch sind Delikte, die in unserer Gesellschaft erschreckend verbreitet sind. Es sind hochgradig verwirrende Erlebnisse von Vertrauensmissbrauch mit enorm zerstörerischen Folgen, die nach einer sensiblen und vollständigen Aufarbeitung verlangen.
Oft benötigt die Psyche Jahrzehnte, bis sie traumatische Erlebnisse ins Bewusstsein lässt.
Folgen eines Missbrauchs
Traumatisch wird Erlebtes dann, wenn der Organismus davon überwältigt wird und mit Hilflosigkeit und Lähmung reagiert. Die Folgen wirken im Denken, Fühlen und Handeln.
Traumatische Erinnerungen können durch Mechanismen wie Verdrängung oder Dissoziation vom Bewusstsein abgespalten werden.
Als Betroffene haben wir einen Verlust an Lebensenergie, Leidensdruck bis hin zu selbstzerstörerischen und unangemessenen Verhaltensweisen. Manche empfinden ihr Leben als stillgelegt. Unser psychisches Gleichgewicht ist aus der Balance.
Beziehungen zu anderen Menschen können schwierig sein, weil wir selbst von tiefen Verletzungen geprägt sind.
Wir leiden u.a. unter posttraumatischen Belastungsstörungen, psychosomatischen Schmerzen, Depression, Verzweiflung, Panik, Starre, Sucht, Zwängen, Angst vor Nähe und geringem Selbstwertgefühl. Das Vergangene lebt weiter in unsererem Körper und vermindert unsere Lebenskraft. Der Körper ist für uns zum Feind geworden und oft tun wir alles, um ihn nicht spüren zu müssen.
Unser Weg
Es gibt einen Weg aus dem Trauma, nicht durch Vergessen, sondern durch bewusstes Auseinandersetzen. Durch den Prozess der Auseinandersetzung mit uns selbst können unsere Selbstheilungskräfte allmählich in Gang kommen. Wir versuchen, unseren Körper und unsere Gefühle wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu verstehen.
Zum Verstehen und Wachsen ist innere Bereitschaft und Hinsehen-wollen unabdingbar. Durch den Austausch, das Gespräch, gegenseitigen Respekt und Mitgefühl wachsen wir.
Betroffene, die diesen Weg nicht gehen wollen, sind trotzdem willkommen.
Wir wollen die Fähigkeit entwickeln, präsent zu bleiben und verstörenden Empfindungen zu begegnen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Wir wollen beobachten lernen, wann und wie sich der Körper versteift und zusammenzieht und wie Gefühle und Impulse aufsteigen. Wir sind auf der Suche nach Erklärungen für die Erinnerungen, und wie wir damit Frieden schließen können.
Ohne zusammenhängende Erinnerungen können wir den Teufelskreis der sich ständig wiederholenden Schwierigkeiten in unserem Leben nicht durchbrechen.
Unsere Ziele
Wir wollen lernen, unsere unbequemen Erinnerungen zuzulassen.
Wir wollen lernen, selbstreflektiertes Verhalten zu entwickeln.
Wir wollen lernen, unsere negativen Komplexe zu durchbrechen.
Kontaktaufnahme unter
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Sabine Tel: 0160-96 480 492
fabienne.pasternak@web.de
Fabienne Tel: 0152-55 945 041
Selbsthilfegruppe Überlebender von Missbrauch und Vergewaltigung Frankfurt
Sexuelle Gewalt ist so schwer vorstellbar, dass es kaum zu fassen und auch nicht nebenher zu verarbeiten ist. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter nahe Verwandte waren, gewaltig war der Unglaube bei Vater oder Mutter.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied einer Selbsthilfegruppe von Überlebenden von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe missbrauchter oder vergewaltigter Frauen und Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. Wöchentliche oder 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Selbsthilfegruppe "Als Junge missbraucht" Offenbach
Als ich in einem Buch las, "Sie sind willkommen in dieser Welt. Als Sie geboren wurden hat die Sonne gelächelt", wusste ich, dass tief in mir steckt, nicht wichtig zu sein, nichts wert zu sein, für niemanden. Das war 1997und ich wusste noch nicht, dass ich über viele Jahre hinweg von meiner Mutter nicht nur geschlagen, sondern auch sexuell missbraucht wurde.
Nachdem ich 1999 dann den Missbrauch wieder erinnerte, habe ich versucht, andere Betroffene in einer Missbrauchsgruppe kennen zu lernen. Es war mir nicht gelungen, es gibt kaum solche Gruppen in Frankfurt. Daraufhin glaubte ich, dass es sinnvoll ist, eine solche Gruppe zu gründen, selbst zu gründen. Seit 2001 besteht diese Selbsthilfegruppe.
Ich möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an dieser Selbsthilfegruppe missbrauchter Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Männern. Wöchentliche Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
Frauengruppe Offenbach
Frauen, die in der Kindheit sexuell missbraucht wurden, lade ich zum Frauentreffen ein. Es ist auch für Frauen, die sich nicht ganz sicher sind, ob und was passiert ist. Wir treffen uns donnerstags um 19:30 Uhr in den Räumen von Missbrauchsthemen e.V. in Offenbach Wir sprechen offen über das Thema, weil wir glauben, dass wir nur so an den Kern unserer daraus folgenden Problemen kommen.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Selbsthilfegruppe Kindheitstrauma Frankfurt
Hohe Gewalt in der Kindheit ist schwer vorstellbar, schwer aushaltbar und auch nicht nebenher zu verarbeiten. Es ist ein Trauma, ein Horrortrip, der plötzlich hochkommen kann, in Gedanken, Bildern oder Gefühlen.
Dennoch, es gibt einen Weg aus dem Horror - nicht durch Vergessen, sondern mit Kraft und Energie, und Sie haben diese Kraft und Energie. Sie sind zutiefst verletzt worden. Auch wenn Sie Ihren Gefühlen nicht trauen, es nicht wahrhaben wollen, glauben Sie sich: irgendein gravierender Vorgang fand da statt. Wir alle wollten nicht glauben, dass wir schwer misshandelt, vernachlässigt, emotional oder sexuell missbraucht wurden, am wenigsten, wenn die Täter Vater oder Mutter waren.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied einer Selbsthilfegruppe ehemaliger Opfer und möchte Sie hiermit einladen zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe in der Kindheit traumatisierterFrauen und Männer.
Was wir wie machen:
Inhalte: Gespräche über persönliche aktuelle Themen, Probleme, Erlebnisse, Sexualität, Erinnerungen. Besprechungen von Büchern und Texten. Gelegentlich Referenten, z.B. Therapeuten.
Rahmen: eine regelmäßige Gruppe von max. 8 Personen. 14tägige Treffen. Verschwiegenheit nach außen bzw. verantwortlicher Umgang mit dem Wissen über andere Teilnehmer. Auf Wunsch wird völlige Anonymität zugesichert. Ausreden lassen. Wenn nicht gewünscht, wird nicht nachgefragt bzw. diskutiert.
Kontaktaufnahme unter
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.de
Hallo Kuschel-Interessierte,
Wegen Corona finden zur Zeit keine Kuschelabende statt
Sabine und ich haben für alle Interessierten weitere Kuschelabende geplant.
Ort: Udo Gann, Körnerstr. 6, 63067 Offenbach,
Teilnehmerzahl: ca. 10-12.
Mitzubringen: bequeme Kleidung,
eventuell etwas zum Knabbern, Trinken, Essen usw., keine weiteren Kosten.
Kuscheln tut Körper, Geist und Seele gut, es fördert die Produktion von Glückshormonen, entspannt und regeneriert unseren Körper. Menschen tragen das Bedürfnis nach Berührung in sich. An unserem Kuschelabend schaffen wir einen geschützten Raum zum kuscheln und wohlfühlen, außerdem zum entspannen und auftanken!
Kuscheln bedeutet, dass zwei oder mehr Personen beieinanderliegen, sich umarmen, halten oder streicheln. Anfassen der Bikinizone sowie küssen ist nicht erlaubt.
Teilnahme bitte bei mir anmelden.
Übernachtung ist möglich, bitte vorher ankündigen.
Liebe Grüße
Udo
Der Verein Missbrauchsthemen e.V.
wurde im Jahr 2003 von Männern zweier Männergruppen aus dem Raum Rhein-Main unter dem Namen Männerthemen e.V. gegründet. Da sich die Aktivitäten zwischenzeitlich gleichermassen auch auf Frauen erstrecken, heißt der Verein seit Oktober 2015 Missbrauchsthemen e.V.
Das Ziel des Vereins ist die Förderung von Selbsthilfegruppen, die Durchführung von Workshops und die Beratung von in der Kindheit sexuell missbrauchten oder anderweitig traumatisierten Männern und Frauen.
Wir sind als Selbsthilfeverein damit hauptsächlich im gesundheitlichen Bereich tätig.
Aktivitäten des Vereins
Wir führen Workshops durch, bei denen die Teilnehmer Körperwahrnehmungs-Methoden als Selbsthilfe lernen. Auch hier geht es um die Heilung von Traumafolgen.
Wir arbeiten im Fonds Sexueller Missbrauch der Bundesregierung mit. Schwerpunkt ist die Mitentscheidung über Hilfeleistungen für ehemalige Opfer.
Wir arbeiten mit dem Unabhängigen Beauftragten der Regierung (UBSKM) zusammen. Hier geht es vorwiegend um Öffentlichkeit und Aufarbeitung.
Derzeit bestehen 6 Selbsthilfegruppe zum Thema Kindheitstrauma bzw. Sexueller Missbrauch. In allen Gruppen können neue Mitglieder aufgenommen werden.
Außerdem besteht eine Gruppe "Männer auf der Suche".
Wir nehmen an den Selbsthilfetagen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt teil.
udo.gann@missbrauchsthemen.de
sabine.cruiser@missbrauchsthemen.deTätigkeitsbericht 2017 - Missbrauchsthemen e.V. LV Hessen
von Udo Gann 10.1.2018
Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
dieser Text wendet sich an alle Spender, Förderer, Freunde und Mitglieder des Vereins Missbrauchsthemen e.V.
Fazit unserer Arbeit
Alle geplanten Vorhaben für das Jahr 2017 wurden realisiert. Die Finanzierung war 2017 stabil. Die gesetzlichen Krankenkassen förderten den Verein mit einem hohen Betrag. Dadurch konnte unsere Arbeitskraft in erhöhtem Umfang für die inhaltliche Arbeit verwendet werden.
Nachfolgend ein Überblick über die einzelnen Aktivitäten.
Gründung und Betrieb von Selbsthilfegruppen im Bereich sexueller Missbrauch/ Kindheitstrauma
Alle 7 bisherigen Selbsthilfegruppen laufen. Es gibt eine reine Männergruppe, eine reine Frauengruppe und 4 Gemischte Gruppen im Bereich Missbrauch. In allen Gruppen bestehen freie Plätze. Außerdem eine weitere Männergruppe, die sich mit spezifischen Männer - Gesundheitsthemen beschäftigt.
In 2017 haben sich rund 40 Personen für die Selbsthilfegruppen interessiert, wovon ca. 20 in die Gruppen gekommen sind und knapp 10 bis heute als Mitglieder geblieben sind. Die Relationen sind nicht ungewöhnlich und verlangen keine konzeptionellen Veränderungen. Das Attraktivste an den Gruppen sind die Erfahrungen ‚ich bin nicht allein‘ und ‚Trauma kann geheilt werden‘. Betroffene entwickeln die Kontrolle über sich selbst, sie sind nicht mehr Getriebene. Erfolgserlebnisse in dieser Art sind immer wieder eindeutig erkennbar und bestätigen den Sinn unserer Aktivitäten.
Lotsendienst
Pro Woche fanden durchschnittlich 2 ausführliche Termine statt. Es handelte sich sowohl um Mitglieder der vorhandenen Gruppen als auch um neue Interessenten für die Gruppen als auch um reine Einzelberatungen im Zusammenhang mit Kindheitstraumata.
Zu rund 20 Personen, die nicht in die Gruppen kommen, bestehen regelmäßige Kontakte.
Workshops
Im Jahr 2017 führten wir 11 Workshops zum Thema ‚Körperwahrnehmung‘ durch. Dies ist bislang ein Angebot für die Mitglieder der Selbsthilfegruppen, da Gesprächsgruppen allein nicht ausreichen, um die Traumafolgen zu bearbeiten. Außerdem dienen die Workshops zur Gewinnung neuer Gruppenmit-glieder. Nennenswerte Werbung für weitere Interessenten an den Workshops haben wir in 2017 allerdings nicht betrieben, da die monatlich stattfindenden Termine auch so ausreichend Teilnehmer hatten. Die Ausweitung der Termine auf mehr als einmal monatlich war aus Kapazitäts- und Raum-gründen erstmal nicht möglich. Dazu ist mehr logistischer Aufwand nötig als wir zunächst annahmen: Zwei weitere Co-Leiter und ein Leiter, außerdem die Anmietung von Räumen, nicht nur die Organisa-tion der Werbung und Durchführung. Außerdem hatten wir zwei Workshops mit fremden Referenten.
Gemeinsame Feste
Seit mehreren Jahren bereits gibt es gemeinsame Feste. Mitglieder und Ehemalige der Selbsthilfegruppen wie auch andere Vereinsmitglieder treffen sich 4-5 Mal im Jahr zum gemeinsamen Feiern. Meist nehmen 15-30 Personen teil und es entsteht ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Auch gemeinsames Feiern ist für traumatisierte Menschen nicht immer einfach. Man kann dabei selbst erkennen, wie gut man sich in Beziehungen zu anderen Menschen zurechtfindet. Und man kann auch feiern als Übungsfeld betrachten.
Homepage und Bibliothek
Die Homepage ist fertig und geht demnächst online. In 2018 werden wir die neuen Möglichkeiten der Homepage integrieren. Erster Teil ist die Bibliothek. Dafür werden als nächstes alle Bücher fotografiert mit Vorder- und Rückseite. Dadurch stehen nicht nur die Titel, sondern auch die Kurztexte der Rückseiten zur Verfügung.
Gemeinschaftliches Wohnen
Dieses Projekt ist neu entstanden. Es geht dabei darum, ein Wohnprojekt zu finden, wo sich Menschen unseres Vereins an gemeinschaftlichem Wohnen beteiligen können. Es gibt derzeit rund 10 Interessenten und wir engagieren uns bei der Entwicklung /Konzeption von drei verschiedenen Objekten gemeinsam mit einem Verein, der derartige Aktivitäten bereits seit Jahren betreibt. Bis es zu gemeinschaftlichem Wohnen tatsächlich kommt, werden vermutlich noch 2-3 Jahre vergehen.
Kuschelabende
Seit Sommer 2017 bieten wir Kuschelabende an. Kuscheln klingt harmlos, ist es aber für traumatisierte Menschen ganz und gar nicht. Noch viel mehr als Feste feiern (siehe dort) ist kuscheln etwas, was viele Mitglieder des Vereins nicht können, obwohl sie es sehr gerne würden, egal ob mit einem Partner zu zweit, oder in einer Gruppe mit verschiedenen anderen Menschen. Beim ‚Kuscheln‘ geht es um körperliche Berührungen, die wohlfühlend und entspannend sind, nicht um erotische Empfindungen. Wenn zwei oder mehr Personen in Körperkontakt nebeneinander liegen und sich streicheln (oder auch nicht) entsteht nach einiger Zeit ein Wohlgefühl, welches die Beteiligten im eigenen Gehirn automatisch produzieren, ohne sich anstrengen zu müssen.
Dennoch will oder kann die Mehrheit der Vereinsmitglieder dieses Angebot erst mal nicht gut annehmen. Es entstehen Ängste, Scham, Ekel und andere Emotionen bei Berührungen. Für die anderen Mitglieder ist es ein wundervolles Wohlfühl-Angebot.
Geschichten von Betroffenen
Texte von Betroffenen sammeln sich langsam weiterhin bei uns. Daraus soll ein Buchprojekt entstehen mit den Schwerpunkten ‚Probleme als traumatisierte Erwachsene‘ und ‚Maßnahmen, die heilen. Wir sind dabei, von einzelnen Mitgliedern des Vereins Texte zu sammeln, die 5-25 Seiten lang sein sollen. Sie werden zunächst auf der Homepage veröffentlicht und ersetzen nach und nach die dortigen Betroffenen-Geschichten.
Außenkontakte
Wir nahmen am Selbsthilfetag in Offenbach teil (in Frankfurt und Darmstadt fand in 2017 kein solcher einzelner Tag statt). Dabei entstanden interessante Gespräche mit Betroffenen und Interessierten.
Wir pflegten Kontakte zum UBSKM (Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung) sowie insbesondere zu anderen Betroffenenorganisationen. Mehrere unserer Mitglieder beteiligten sich an den Interviews der Aufarbeitungskommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Deutschland, die beim UBSKM organisiert ist.
Seit Sommer 2013 arbeitet Udo Gann in dem von der Bundesregierung gegründeten FSM (Fonds Sexueller Missbrauch) mit. Er engagiert sich dort in der Clearingstelle. Das ist die Entscheidungseinrichtung über die Unterstützungsanträge der von sexuellem Missbrauch Betroffenen.
Im Herbst 2017 hielt er einen Vortrag über sexuellen Missbrauch in der Familie in der VHS in Offenbach. Wir sind als Anlaufstelle für Interessenten an Selbsthilfegruppen immer leichter zu finden. Es gibt im Rhein-Main-Gebiet kaum andere Anbieter.
Und die Ausweitung der Angebote des Vereins macht sich durch eine größere Zahl von Mitgliedern bemerkbar, die sich längerfristig einbringen können.
Mit den besten Wünschen
Udo Gann
Missbrauchsthemen e.V., www.missbrauchsthemen.de, udo.gann@missbrauchsthemen.de
Missbrauchsthemen e.V.: Selbsthilfe und Lotsendienst benötigt Geld
Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung
der Verein Missbrauchsthemen e.V. Offenbach bietet im Raum Offenbach, Darmstadt und Frankfurt Selbsthilfegruppen und Lotsendienste für vergewaltigte oder in der Kindheit sexuell missbrauchte Frauen und Männer. Wir benötigen Ihre Unterstützung für unsere Arbeit.
Ralf ist seit einigen Jahren Mitglied einer unserer Selbsthilfegruppen. Er wurde als Kind von seiner Mutter sexuell missbraucht. Eines seiner (2011) abschließend bearbeiteten Themen hieß Verzweiflung:
„Seit ungefähr einem Jahr bemerkte ich vor dem Abdriften in mein Suchtverhalten ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es sonst nicht aushalten. Dann hatte ich über Monate immer wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden lang nachzuspüren. Dabei stellte ich fest, dass die Leere gar nicht leer war, sondern aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch bestand. Dieses konnte ich nun öfter zulassen. Es fühlte sich an wie eine elastische Blase im Bauch, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befand, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt war.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich auf die Idee, es könnte etwas sein wie psychischer Schmerz, Demütigung oder Verzweiflung, oder alles zusammen. Ich habe dann in der Selbsthilfegruppe die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn solche Gefühle bei ihnen zeigen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich bereits beim Nachhauseweg sehr berührt. Ich begriff: Mein Gefühl war die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens, als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, mich aber nicht wehren konnte.
Das Gefühl war danach weg und ist bis heute auch nicht mehr aufgetreten. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt."
Bei vielen Betroffenen sind die Folgen Posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste, Zwänge oder Depression. Die Betroffenen haben Probleme mit Nähe zu anderen Menschen, mit Vertrauen, mit ihrer Sexualität, mit dem eigenen Selbstwert, mit starken Gefühlsschwankungen, mit Freude am Leben. Neben Psychotherapien sind Selbsthilfegruppen ein hervorragendes Mittel die Trauma-Folgen zu bearbeiten, zu erleben, dass man nicht allein ist, dass es Gleichfühlende gibt, dass man sich gegenseitig helfen kann, dass man nicht mehr Opfer ist.
Der Verein Missbrauchsthemen e.V. Offenbach bietet Selbsthilfegruppen für Männer, für Frauen, aber auch gemischte Gruppen für Frauen und Männer im Rhein-Main-Gebiet an. Und er bietet einen Lotsendienst für hilfesuchende Menschen oder für diejenigen, die nicht sicher sind, ob sie missbraucht wurden. Dafür hat Missbrauchsthemen e.V. seit August 2010 entsprechend kompetentes Personal eingestellt und organisiert inzwischen sechs Selbsthilfegruppen in Offenbach, Darmstadt und Frankfurt.
Wir benötigen für die Finanzierung der Personal- und Sachkosten jährlich noch ca. 20.000,- Euro. Mit Ihrer Unterstützung können wir die finanzielle Basis für eine langfristige engagierte Arbeit in diesem Bereich gewährleisten. Jeder Betrag hilft uns. Spenden sind bei der Einkommensteuer absetzbar.
Wir bitten um Rückmeldung unter udo.gann@missbrauchsthemen.de.
Oder spenden Sie direkt an:
Missbrauchsthemen e.V. Offenbach, IBAN: DE22 5019 0000 6101 7699 90
Pressestimmen:
Darmstädter Echo vom 10.2.2016
Video vom NDR am 19.3.2012 "Von der Mutter missbraucht"
Veröffentlichung in der Offenbach-Post vom 13.5.2014
Offenbach-Post vom 21.10.2014
Fraunkfurter Rundschau vom 6.11.2014
Hier können die Geschichten von Betroffenen gelesen werden. Es sind teilweise kurze Versionen und aber auch längere Versionen.
Beim Lesen dieser Geschichten achten Sie bitte darauf, wie es Ihnen damit geht. Die Geschichten können triggern.Alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum
Meine Geschichte als kleiner Junge, vom Sex mit meiner gewalttätigen Mutter, von den Folgen dieses Traumas im Erwachsenenleben und viel von meiner Heilung. Und eine Geschichte von meinen Stärken und Vorlieben. Eigentlich eine optimistische Geschichte.
Sex und Gewalt mit Mutter
Geboren 1955 im Schwäbischen, wurde ich ab meiner Geburt bis zum Alter von 13 Jahren von meiner Mutter sexuell missbraucht, auch geschlagen. Wie es mir ging, war irgendwie nicht wichtig, niemandem, außer mir.
Mein Vater half mir nicht, er wusste vom Missbrauch meiner Mutter und hat sie geschützt. Nach außen und vor allem mir gegenüber. Als ich mich im Alter von drei Jahren bei ihm über Mutter beschwerte, sagte er „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum.“ Tja, falls mir das nicht passte, hatte ich eben Pech gehabt. Er war ein Lügner und Mittäter.
Danach hatte mich Mutter eiskalt erwischt. Sie würgte mich, im Stehen. So zeigte sie mir, wie sie weiteres Reden bestrafen würde. Ich bekam einen riesigen Schreck und zitterte am ganzen Körper. Es wurde mir heiß und kalt. Die direkte Morddrohung hatte was. Es entstand keine Verwirrung, es war eine klare Sache: wenn du redest, töte ich dich.
Die erste schwere Begebenheit geschah, als ich 6-8 Wochen alt war. Meine Mutter ließ mich an der Brust trinken. Solange, bis ich genüsslich am nuckeln war. Dann nahm sie mich von der Brust weg und schob meinen Kopf zwischen ihre Beine, um dort weiter zu nuckeln. Als sie ihren Orgasmus hatte, hat sie mich beinahe erstickt. Keine Luft, Nase verstopft, Mund voll, und satt wurde ich dabei auch nicht. Diverse Folgen gehen bzw. gingen auf dieses Ereignis zurück. Mein linkes Nasenloch fühlt sich häufig verstopft an. Beim Einschlafen hatte ich lange das Gefühl, meine Halskette würde mich würgen. Noch esse ich eher schnell, denn die Mahlzeit könnte mir von jemandem weggenommen werden.
Sex mit Mutter hörte so bald nicht mehr auf. Mit zwei bis drei Jahren befriedigte ich sie auf dem Elternbett mit der Hand und mit dem Mund, sie nahm meinen Penis in den Mund und lutschte daran. Oder sie spielte mit den Händen und dem Mund daran herum. Oft endete solcher Sex in Gewalt oder in Vorwürfen. Ich war zu klein, um ihr jedes Mal einen Orgasmus machen zu können. „Ich müsste es besser können, ich bin nicht gut genug“ ist ein Grundgedanke, den ich daraus entwickelt und auf mein ganzes Leben übertragen habe, insbesondere auf mein Verhalten gegenüber Frauen. Diesen Gedanken entwickelte ich nicht selbst, so doof war ich auch als kleiner Junge nicht. Sie trichterte ihn mir jahrelang ein. Und ich begann ihr zu glauben.
Nun, sie brachte mir bei, immer besser zu werden. Sie lockte, sie versprach mir tolle Erlebnisse, ich würde das doch alles auch wollen, ich müsse sie nur so befriedigen, wie sie das mag. Ungefähr acht Jahre alt war ich, als sie anfing, mit mir zu ficken. Sie setzte sich auf mich, steckte meinen kleinen erigierten Penis in sich und ritt auf mir. Ich dissoziierte, ich war geistig nicht mehr da, ich schwebte mit den Beinen voraus durchs Haus nach draußen ins Dorf.
Sie hat mich geschlagen, sie hat mir mit dem Tod gedroht, sie hat mich fast getötet. Als kleiner Junge wusste ich keineswegs, dass ich diese Kindheit überleben würde. Ich war höchstens drei Jahre alt und kam zu Mutter in die Waschküche. Sie war gerade beim Schleudern von Wäsche und für mich völlig unerwartet, unberechenbar, ohne Begründung, einfach nur aus ihrer Willkür packte sie mich und steckte mich in die Wäscheschleuder. Sie schleuderte mich, bis ich bewusstlos wurde. Dann zerrte sie mich aus der Maschine, stellte mich auf die Beine, die knickten weg, sie stellte mich nochmals auf die Beine. Dann torkelte ich davon. Ein gewaltiger Schreck und ungläubige Überraschung warfen mich auf mein Bett. Mutter handelte im Affekt und gefährdete mein Leben mal eben so zufällig.
Mein Vater half mir nicht, meine Schwester war zwar älter als ich, aber doch zu klein, andere Menschen wussten nichts oder sie halfen nicht. Überlebenskraft fand ich außerhalb des Hauses meiner Eltern. Ich spielte mit anderen Kindern im Dorf und um das Dorf herum. Mit fünf bis sechs Jahren begann ich meine Liebe zum Lesen von Büchern zu entwickeln.
Meine Mutter hatte aufgehört, bevor ich 13 wurde. Sie befürchtete, dass sie erwischt werden könnte, dass meine Schwester es mitbekommen könnte. Denn als ich 12 war, ging meine Schwester gemeinsam mit mir auf das selbe Gymnasium. Die Gelegenheiten für Mutter mit mir alleine waren dadurch selten geworden. Für das Ende von Sex mit ihr hat sie mir Schuld- und Schamgefühle eingeredet.
Ich hatte überlebt. Es gab Zeiten, da glaubte ich nicht daran, da habe ich versucht, mich selbst zu töten. Aber, ich war 16 Jahre alt geworden, lebte, und war mir sicher: sie kriegt mich nicht! Meinen Körper hatte sie, meine Seele halb, aber mein Innerstes nicht! Das feierte ich im Sommer nach meinem 16. Geburtstag, indem ich mit rauchen begann. Ich durfte rauchen, ich war 16 und fast erwachsen. Ich hatte es geschafft, ich hatte den Missbrauch durch meine Mutter überlebt. Seht her, Leute: ich habe das Alter, darf rauchen, und ich lebe!
Nach dem Abitur habe ich mein Elternhaus verlassen.
Probleme als Erwachsener und irrationale Grundgedanken
Ich wurde zu einem Menschen, der kein Vertrauen hatte, außer zu mir selbst. Kam ich mit Nähe nicht zurecht, ging ich auf Abstand. Was mir wichtig war, musste ich selbst machen, nur nicht abhängig oder gar hilflos werden. Meine Kindheit zu überleben, führte zu einer langen Kette von Schwierigkeiten als Erwachsener. Aber auch zu einer fast unendlichen Kraft, Ausdauer und Energie. Wer aus solcher Kindheit hervorgeht, der ist ein Energiepaket.
Ich habe also studiert, eine Frau gefunden, nochmal studiert, zwei Töchter bekommen, war in einem Konzern als Ingenieur tätig und vor allem als Betriebsrat. Das alles passte gut zu mir. Als Betriebsrat musste ich mich der Unternehmensleitung nicht unterordnen, was ich nicht gut konnte. Ich mochte und mag keine Autoritäten, es sei denn, sie sind es wegen ihrer Fähigkeiten und nicht wegen ihrer Macht.
Bei der Geburt meiner Töchter war ich glücklich, dass es Mädels waren, beide Male. Ohne dass ich in jener Zeit den Satz bewusst kannte, wirkte „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ ganz tief in mir und ließ mich Töchter wünschen. Und ich bekam sie ja auch, also kein Stress.
„Männer sind Pfeifen und Frauen sind gefährlich“ war mein Grundgedanke über die Menschen. Männer können mir nicht helfen, wenn ich mir selbst schon nicht helfen kann. Das machte mich unabhängig, aber es war auch sehr anstrengend. Zum Glück ist das heute vorbei, wenn auch noch nicht lange. Bei Frauen muss man auf Distanz bleiben, sonst wird es gefährlich. Ich hatte nicht etwa ständig wechselnde Beziehungen - aber meinen Kampf um die Distanz, nicht untergehen wollen in der Beziehung. Und: ich müsste besser sein in der Beziehung, ich bin nicht gut genug. Wenn es in meinem Kopf hart auf hart zuging: Wünsche der Partnerin gegen meine grundlegenden eigenen Wünsche, dann war ich immer bei mir. Das machte stark und … einsam.
Hier eine Auflistung aller Grundgedanken aus meiner Kindheit, mit denen ich jahrzehntelang als Erwachsener Probleme hatte:
- Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich.
- Ich bin nicht gut genug, ich müsste das besser können.
- Bloß nicht hilflos werden: dieser Gedanke war der schlimmste, er bedeutete extreme Angst, Panik.
- Ich bin nicht wichtig, außer für mich.
- Ich bin wertlos.
- Ich darf nicht missachtet werden.
- Alles Wichtige muss ich selber tun.
Es gibt auch Grundgedanken, die ich als Lebensleitlinien behalten will:
- Ich will ein guter Mensch sein.
- Wissen und Erkenntnisse sind wichtig.
Sexualität: Natürlich kann es kaum sein, dass in diesem Bereich mein Leben zufriedenstellend verlief. Oder doch? Ich war jedenfalls bereits rund 40 Jahre alt, bis mir auffiel, dass da einiges so ganz und gar nicht stimmte. Es stimmte auch vorher schon nicht, nur hatte ich nicht darüber nachgedacht und die Probleme sozusagen vor mir selbst versteckt.
1994 trennte ich mich von der Mutter meiner Töchter. Und ich fand eine neue Partnerin, meine große Liebe. Da sie sehr viel mehr Nähe wollte, als ich gewohnt war, gab es häufiger Schwierigkeiten in der Beziehung. Hohe Hochs und tiefe Tiefs. Das führte dazu, dass ich ab 1996 begann, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Erstes Buch: „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller, zweites Buch, „Das Kind in uns“ von John Bradshaw.
Ich begab mich auf eine ungeheuer spannende Reise, und ich wusste das. Bücher folgten noch viele. Ich entdeckte nach und nach die zuvor genannten Grundgedanken. Von meinen Missbrauchserlebnissen wusste ich nichts. Meine Sexualität nahm ich bewusster wahr und entdeckte einen großen Packen Zwanghaftes.
Siehe da, ich hatte zwei Sexualitäten entwickelt: eine in etwa „normale“ Sexualität mit meiner Partnerin und eine „kaputte“ Sexualität mit bizarren Fantasien, Pornobildern, Pornokino, eine Sexualität mit mir selbst. Im Sommer 1999 waren meine Partnerin und ich gerade dabei, erotische Fantasien in unser bisheriges Beziehungsleben integrieren zu wollen. Daraus hätte sich vielleicht ergeben, dass ich aus meinen beiden Sexualitäten eine hätte entwickeln können. Kam aber ganz anders.
Wiedererinnern des Missbrauchs
Beim Abklingen eines ganz besonders intensiven Orgasmus, meine Partnerin und ich lagen noch eng umschlungen, hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis. In meinem Kopf hatte es geklingelt und geleuchtet. Es war ein unglaublich intensiver Wachtraum.
Als erstes sah ich den kleinen Udo, der um Hilfe schreit, aber keinen Ton herausbringt, und deshalb die Hand hochhält, es hilft jedoch niemand.
Als zweites erlebte ich einen Schnelldurchlauf durch meine Erinnerung aller Beziehungen zu gleichaltrigen Mädchen und Frauen seit meiner Kindheit.
Als drittes eine Gewaltfantasie. „Das, ficken, kannst du nicht, das kann nur ich“… schreie ich meine Mutter an, während ich sie ficke ohne darauf zu achten, ob sie das will oder nicht. Dann werde ich zum Wolf und versuche sie zu töten, kann sie aber nur leicht zerkratzen. Dann wächst aus ihrem Unterleib ein Haifischkopf, den ich zerquetschen will, es aber nicht schaffe. Dann gehe ich als Wolf traurig und einsam fort.
Ich brauchte nur wenige Tage und einige Bücher, um zu begreifen, dass ich keine beliebige Vergewaltigungsfantasie hatte, sondern dass ich von meiner Mutter sexuell missbraucht worden war.Ich hatte eine Erinnerung!
Das war im September 1999.
Zu dieser Zeit hatte ich mich seit drei Jahren viel mit mir selbst beschäftigt, mit der Entdeckung des Missbrauchs wurde meine Innenschau jedoch noch intensiver. Unglaublich spannend, welche Energien in mir, in den Entdeckungen über mich steckten.
Ich habe unzählige Bücher verschlungen, meine Freundin geliebt, mich mit ihr gestritten, und wieder geliebt, sozusagen nebenher habe ich als Vermögensverwalter an der Börse für mich und die Kunden viel Geld verdient, bin in eine supertolle Wohnung umgezogen …
Fünf Jahre intensives Leben bis 2001, intensive Emotionen, mit vielen Erkenntnissen und Entdeckungen, Wut, Angst und Trauer.
Erste Heilungsschritte
Lesen
Ich lese viel und gerne. Inzwischen besitze ich eine ganze Menge Bücher über psychologische Themen. Das sind Geschichten von Betroffenen, Bücher über Therapieformen insbesondere Trauma-Therapie, Romane, Entwicklungspsychologie, Gefühle, Empfindungen, Bücher der Gehirnwissenschaftler.
In meinem Kopf fanden sich häufig festgefahrene Ansichten zu Themen und Problemen, die ich selbst während meiner traumatischen Kindheit erlebte. Daran änderte sich einiges.
Wissen ist wichtig.
Kontaktabbruch zu meiner Mutter
Ich hatte den Missbrauch wiedererinnert 1999, da war ich 44 Jahre alt.
Daraufhin hatte ich meine Mutter in einem Brief mit meinem neuen Wissen konfrontiert und als Wiedergutmachung von ihr gefordert: Gib es zu! Berichte mir über die Dinge, die du in meiner Kindheit sexuell mit mir gemacht hast!
Wie erwartet hatte sie bestritten. Ich brach den Kontakt ab. Ebenso zu Vater und Schwester. Meine Schwester konnte mir nicht glauben. Mein Vater 'glaubte' mir ebenfalls nicht: dass er ein Lügner war, wusste ich noch nicht.
Selbsthilfegruppe
Ich suchte und fand andere Männer, um eine Selbsthilfegruppe ‚Als Junge missbraucht‘ zu gründen. Seit 2001 besteht diese Gruppe und es ist eine tolle Einrichtung. Gäbe es sie nicht, würde ich sie gründen! Wir treffen uns wöchentlich, erzählen, fragen nach, helfen und lösen Probleme. Inzwischen habe ich zwei weitere Selbsthilfegruppen gegründet. Die Mitglieder sind Frauen und Männer. Das war für meine persönliche Entwicklung außerordentlich wichtig.
Innere Bilder
Über viele Jahre hinweg habe ich intensiv mit inneren Bildern gearbeitet.
Ich habe einen inneren Wohlfühlort entwickelt. Das ist ein etwas verwilderter Garten in meiner Fantasie, den außer mir niemand finden kann, in dessen Zentrum eine Badewanne steht.
Ich liebe baden! Ein Tischchen neben der Wanne mit Buch, Kaffee, Zigaretten, Telefon. So kann ich mich für Stunden wohlfühlen.
Mit der Methode Innere Bilder habe ich eine innere „Familie“ entwickelt. Die einzelnen Figuren stellen Anteile von mir selbst in meiner inneren Wahrnehmung dar. Da gibt es einen kleinen Jungen, ein kleines Mädchen, einen Wolf, einen jüngeren erwachsenen Mann und eine Frau, einen Denker, und vorübergehend auch Täteranteile von Vater und Mutter. Außerdem ab 2011 einen Teenie, ein Baby und den Grauen.
Mit dieser Methode war ich in der Lage, den Täteranteilen in mir einen korrekten, akzeptablen Platz zuzuweisen. Enttäuschung über Vater und Wut über Mutter schienen damit abgeschlossen.
Meine Mutter habe ich auf meiner „inneren Bühne“ wahrscheinlich 50 Mal umgebracht: mal schnell und hart, mal ganz genüsslich gefoltert und gequält. Der richtige Weg, weil nur der sich gut anfühlte, war dann, ihr Geschlecht zu zerstören. Indem ich den aus ihrem Unterleib wachsenden Haifischkopf mit einer Drahtschlinge herausriss.
Meinem Vater schnitt ich die Zunge ab. Wie ich fand, eine angemessene Lösung für einen Lügner.
Danach saß er auf einem Stuhl und las Simmel. Meine Mutter saß daneben in einem Sessel und strickte.
Im Sommer 2011, kurz vor dem Ende meiner Trauma-Bearbeitung flogen dann doch beide aus der inneren Familie hinaus. Mutter wurde vom Wolf gerissen - dismal mit Erfolg. Und Vater wurde als Lügner gebrandmarkt und als vogelfrei ausgestossen.
Neue Entdeckungen seit Anfang 2010
EMDR
Die bislang am weitesten gehenden Entdeckungen begannen mit einer EMDR-Sitzung (EMDR ist eine der Trauma-Therapie-Methoden: dabei bewegt der Klient die Augen schnell von rechts nach links und zurück. Dies bewirkt eine verbesserte Verknüpfung der beiden Gehirnhälften miteinander. Dadurch kommen traumatische Erinnerungen leichter an die Oberfläche und können verarbeitet werden) mit meinem Therapeuten. Es war eine Fantasiereise in meine Erinnerungen.
Tagebucheintrag 15.1.2010:
ich bin zwei Jahre alt, liege auf dem Küchentisch, habe die Hose heruntergelassen. Meine Mutter spielt an meinem Penis mit den Händen. Dann ist sie zwischen meinen Beinen, hat mich zum Rand des Tisches gezogen. Meine Knie sind angewinkelt. Sie saugt und knetet meinen Penis.
Der wird steif und riesengroß. Sie trägt einen hellen Unterrock und reibt sich im Stehen mit meinem Riesenpenis die Scheide. Dann beugt sie sich zu meinem Gesicht und ich lecke ihre Brustwarzen. Dann richtet sie sich wieder auf und steckt meinen Penis in ihre Scheide, er ist immer noch überdimensional groß.
Plötzlich hat sie den Penis und ich die Scheide, dann wieder zurück. Sie dreht sich um und steckt sich meinen Penis von hinten in ihre Scheide. Plötzlich wird er kleiner, normale Kindergröße und es bilden sich Tropfen. Sie knuddelt den Penis, nimmt ihn in den Mund, aber er wird noch kleiner und weich. Ich will weg, sie hält mich mit der zweiten Hand auf meiner Brust fest.
Dann wird sie sauer, stößt mich über den Tisch, ich falle auf der anderen Seite auf die Sitzbank herunter. Sie verlässt die Küche und knallt die Tür zu. Ich setze mich auf und bin ganz traurig. Wieder habe ich es nicht hinbekommen, dass sie zufrieden ist. Ich will hier weg.
Sie kommt zurück und jagt mich aus der Küche, ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich in die hintere Ecke neben dem Wohnzimmerbuffet. Dort weine ich still, ich will hier weg, ich kann mich nicht bewegen.
Dann kommt meine Mutter ins Wohnzimmer, zerrt mich aus der Ecke und schlägt mich gegen Kopf oder Hals, da stürze ich auf die Couch und bleibe da liegen. Ich rolle mich in einer Ecke der Couch ein. Dort liege ich sehr, sehr lange. Jahrelang. Ich will weg hier, keiner hilft mir, hoffentlich ist es bald vorbei, ich kann mich nicht bewegen, ich schütze mein Innerstes, das kriegst du nicht. Ich zittere, es ist mir schlecht, es kotzt mich an. Ich muss pinkeln, mir tut der Kopf weh. Hoffentlich ist es bald vorbei, wann ist es endlich vorbei?
Dann wird plötzlich für einen Moment aus dem Kleinkind ein Erwachsener und wieder zurück. Dann kommt Bewegung in den kleinen Jungen, er setzt sich auf, er wird größer und älter, 10 – 12 – 15 Jahre. Er steht auf und geht zur Wohnzimmertüre hinaus, fühlt sich stark, geht auch zur Haustüre hinaus. Auf der Außentreppe riecht er die Luft und spürt den Wind. Es fühlt sich gut an, dann geht er die Treppe runter und setzt sich auf die unterste Stufe. Da wird er zum 5jährigen, der ein Buch hat, und zum Erwachsenen, wieder zurück, wieder vor, mehrfach.
Dann steht der Erwachsene auf, der Kleine springt ihm auf den Arm, lehnt seinen Kopf an Schulter und Brust des Großen. Der Große, ich heute, gehe zu meinem Auto, steige ein und fahre los. Ich fahre eine Schleife im Dorf und komme nochmals am Haus vorbei. Da steht meine Mutter auf der Außentreppe und fuchtelt mit den Armen: gib mir meinen kleinen Jungen zurück, ich will ihn wiederhaben. Ich lache, ich freue mich und der kleine Junge neben mir und in mir lacht auch. Ich fahre weiter und öffne das Verdeck. Dann fahre ich nach Hause, nach Frankfurt, esse und trinke in einer Raststätte. Dann komme ich in Offenbach an, im Zimmer des Therapeuten, ich beginne meine steifen Beine und Hände zu bewegen, habe Kopfschmerzen von EMDR und muss dringend zur Toilette.
Kommentar: die am Beginn der Sitzung genannte Aussage, dass ich beim Missbrauch hilflos sei, fühlte sich danach ganz anders an. Ich bin nicht hilflos, ich habe den Terror von ihr aus eigener Kraft überstanden. Es hat Jahre gedauert, aber ich war nicht hilflos. Sie hat mich nicht zerstört, ich habe es geschafft.
Danach hat es wochenlang in meinem Kopf gearbeitet, ohne dass etwas davon in mein Bewusstsein kam. Auch nach der zweiten EMDR-Sitzung im Februar war das so.
In dieser Zeit hatte ich wieder Kontakt zu meiner Schwester, sogar recht intensiven. Sie war an Krebs erkrankt und verstarb im Juni 2010. Da sie im selben Haus lebte wie meine Mutter, entstand auch zu dieser wieder Kontakt. Der bekam mir nicht gut. Auch das Elternhaus betrat ich dadurch wieder. Damit hatte ich Kontakt zum Tatort. Dieses Haus wird jetzt gerade verkauft. Ob die Kontakte zu Täterin, Tatort und Umfeld eine Rolle spielten bei meiner weiteren Entwicklung weiß ich nicht, mein Therapeut meint ja. Ich glaube, dass die EMDR-Sitzungen die wichtigere Grundlage wurden.
Urvertrauen
Anfang Oktober 2010 hatte ich in mehreren Träumen die Integration des inneren kleinen Mädchens erlebt. Bislang war mir dieses kleine Mädchen noch ziemlich fremd. Ich wusste nur, dass sie es war, die den Sex mit Mutter aushalten musste. Der kleine Junge war der mit der Angst vor Hilflosigkeit, der Panik, dem Stress im Vorfeld. Wenn es losging mit dem Sex durch meine Mutter, wurde der kleine Junge zum kleinen Mädchen.
Plötzlich verschmolz dieses kleine Mädchen im Traum in der Person von Scotty aus Raumschiff Enterprise mit mir. Der Vorgang war nicht ängstigend, aber was sie mitbrachte, sehr: Mutters Brutalität, mein Leid und meine Verzweiflung.
Ich entdeckte, dass mein zwanghafter Drang zu Pornografie kein wirklicher Automatismus war. Ich saß nicht einfach da und plötzlich überfiel mich der Drang, Pornofilme im Internet anzuschauen. Nein, ich saß da und es überfiel mich Leere. Um die nicht zu spüren, schaute ich Pornobilder, ich betäubte mich damit!
Und dann kam er, der spannendste Tag seit der Geburt meiner beiden Töchter, der 20. Oktober 2010.
Morgens um drei oder vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen. Ich hatte ein unlösbares Problem, das Problem mit dem Tod, gelöst.
Tagebucheintrag 20.10.2010:
Tod:
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn ich mir nichts mehr vorstellen kann. Wie löse ich das auf?“ Dieser Satz ist viele Jahre alt. Damit endete bisher jede Beschäftigung mit dem Tod.
Heute Nacht entdeckte ich den ersten Lösungsansatz meines Lebens: „Vertraue auf dich. Wenn es so weit ist, wirst du es wissen.“
Diese Antwort kam aus meinem tiefsten Inneren. Von Gott, oder meinem göttlichen Kind, oder vom kleinen Mädchen…
Klingt mystisch? Schlagartig ging es nicht mehr um das Rätsel des Todes, sondern um viel mehr: mein Leben! Ich hatte soeben einen großen Brocken Urvertrauen zu mir und zum Leben bekommen. Urvertrauen, nichts wirklich Mystisches, sondern etwas zutiefst Menschliches. Und damit ging es richtig los!
Auflösung oder Veränderung aller problematischen Grundgedanken
Meine größte Angst war die Angst vor Hilflosigkeit. „Ich muss mir immer selbst helfen können, bloß nicht hilflos werden“. Wenn ich mir jetzt hilflose Situationen vorstelle, empfinde ich „vertrau auf dich. Es wird irgendwie eine Lösung geben.“
Die Angst vor Hilflosigkeit gibt es nicht mehr!
Leere gibt es nicht mehr!
Was ist das, Leere? Hatte ich damit mal Probleme? Es ist: Schwere, Morast, Ekel, Hilflosigkeit, die Leere ist nicht leer.
„Männer sind Pfeifen, Frauen sind gefährlich“. Mein Vater hat beim Missbrauch meiner Mutter geholfen, er ist Mittäter. Dass mein Vater mir nicht geholfen hat, war eine verkehrte Betrachtung. Er war kein „Nichthelfer“, er war ein „Mittäter“. Er hat mich mit dem Satz „alle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum“ mit voller Absicht angelogen. Es war ihm sogar recht, dass ihn sein kleiner Sohn für eine Pfeife hielt. Hauptsache, der Sex durch die Mutter wird nicht entdeckt. Vati, die Pfeife, wurde zu Fritz, dem Lügner und Mittäter.
‚Männer sind Pfeifen‘ gibt es nicht mehr!
Mein Vertrauensproblem gibt es nicht mehr! Ab sofort ist es korrekt zu sagen: ich habe ein Problem mit Lügen. Die, die ich als Kind als Wahrheiten gelernt hatte und in meinem Gehirn zu automatisierten Gedanken oder Gefühlen oder Handlungsanweisungen entwickelt hatte. Wo mein Vater mich belogen hatte, wo meine Mutter mich belogen hatte. Seither achte ich auf solche möglichen Lügen.
‚Ich bin nicht wichtig‘ und ‚ich bin wertlos‘ gibt es nicht mehr!
Die anderen Grundgedanken haben ihre Schärfe verloren, sind vom „müssen“ zum „sollen“ herabgestuft, Wut zu Ärger.
Meine Sexualität heute: Vor 10 Jahren war es eine gute Lösung, zwei Sexualitäten zu haben. Konnte ich doch die „normale“ Sexualität genießen und die „kaputte“ dem Missbrauch zuordnen und verteufeln. Seither hat sich viel verändert. Erst ganz langsam, in den letzten Monaten immer schneller. Meine „kaputte“ Sexualität ist nicht mehr zwanghaft. Ich kann sie sogar gezielt benutzen, um mich zu betäuben, wenn ich das für nötig halte. Was häufiger der Fall ist. Die zwei Sexualitäten werden langsam zu einer…
Die Geschwindigkeit, mit der sich die gesamten Grundgedanken veränderten, war unglaublich. Am Abend des 20.10. war keiner mehr wie zuvor.
Vor dem Jahr 2010 dachte ich, dass ich vielleicht 10% einer möglichen Heilung erarbeitet hatte, und war mir nicht sicher, ob es Heilung überhaupt gäbe, wenn man als Kind sexuell missbraucht wurde. Heute glaube ich, dass es erstens Heilung gibt, und dass ich zweitens 80% davon erarbeitet habe. So gewaltig sind die Entwicklungen des Jahres 2010 und auch 2011. Ich habe noch nicht alles erzählt, es geht weiter.
Auflösung von Traumata
Mit der Beseitigung der meisten irrationalen Grundgedanken ist meine Heilung noch nicht am Ende. Ich habe entdeckt, wie ein Trauma aufgelöst werden kann. Dazu will ich die Geschichte erzählen, wie ich die Verzweiflung meiner Kindheit aus meinem Körper und meinem Kopf vertreiben konnte. Es war ein aktiver Vorgang. Ich war aktiv. Und ich hatte Hilfe von zwei Selbsthilfegruppen und einem Therapeuten. Und: ich konnte Hilfe einfordern und annehmen. Schließlich war der alte Grundgedanke ‚Männer sind Pfeifen und können mir nicht helfen‘ nicht mehr wirksam.
Ende November 2010: Seit längerem hatte ich klar erkennbar ein Gefühl von Leere: immer wieder, und es trieb mich in Sekundenschnelle dazu, dieses Gefühl zu betäuben, ich konnte es gar nicht aushalten. Dann hatte ich hin und wieder mal die Kraft, dem Gefühl wenigstens ein paar Sekunden nachzuspüren. Dabei hatte sich herausgestellt, die Leere war gar nicht leer, sondern sie bestand aus einem dicken, schweren Gefühl im Bauch.
Nach dem Ende meiner größten Angst, der vor Hilflosigkeit, konnte ich dieses schwere Gefühl im Bauch öfter zulassen. Das steigerte sich dann soweit, bis ich es täglich fast durchgängig spürte und halbwegs ertragen konnte.
Es fühlte sich an wie eine elastische Blase, in der sich schlammige, morastige, zähe Pampe befindet, die dunkelbraun-dunkellila gefärbt ist.
In meiner Selbsthilfegruppe und mit meinem Therapeuten kam ich dann auf die Idee, es könnte so etwas sein wie psychischer Schmerz, oder Demütigung, oder Verzweiflung, oder alles zusammen, oder noch mehr.
Ich hatte dann beim nächsten Selbsthilfegruppe-Treffen die anderen Mitglieder gefragt, wie sich denn Demütigung, psychischer Schmerz oder Verzweiflung körperlich anfühlen würden. Da kamen einige interessante Beschreibungen zusammen und eine hat mich innerhalb kurzer Zeit, nämlich bereits beim Nachhauseweg, total getroffen: Das schwere Gefühl war plötzlich weg und ist nicht mehr aufgetreten.
Es war Verzweiflung. Die Verzweiflung der ersten 15 Jahre meines Lebens. Als ich den Sex mit meiner Mutter nicht wollte, als ich wollte, dass sie aufhört, als ich vergeblich meinen Vater informierte, als es mal zwischendurch weniger wurde, als es dann sogar schlimmer wurde, weil sie begann, mit mir zu ficken, als es Jahre um Jahre dauerte und nicht aufhörte, als ich mehrfach versuchte, mich selbst zu töten. Als ich dann endlich mit 12-13 Jahren glauben konnte, dass ich den Missbrauch überleben könnte, weil ich dachte, ich schaffe es, bis ich 16-18 Jahre alt bin. Und ich schaffte es!
Das schwere Gefühl und die Geschichte dazu, also die Verzweiflungsgeschichte, gleichzeitig in meinem Bewusstsein zu haben, bewirkten, dass ich beides als sehr harte, aber als zusammengehörende Erinnerung im Gedächtnis abspeichern konnte. Das Gefühl spukt nicht mehr in mir herum und kann sich nicht mehr als Handlungsanweisung auswirken. Dieser Teil meines Kindheitstraumas ist erledigt.
Meine Schlussfolgerung: Habe ich ein schweres Gefühl in mir oder eine üble Geschichte, dann gehe ich auf die Suche nach dem Gegenstück. Wenn ich das wirklich wahre Gegenstück gefunden habe, habe ich eine gute Chance, dass sich das Trauma bzw. ein Teil des Traumas auflöst.
Habe ich kein Gefühl, sondern eine zwanghafte Handlung, so suche ich nach dem Gefühl, welches durch die Zwangshandlung verdeckt wird: Ich versuche, ganz genau in meinem Körper zu beobachten und zu spüren, was da passiert in den Sekunden vor der Zwangshandlung. Mein Ziel ist nicht, die Zwangshandlung zu unterlassen, sondern das verdeckte Gefühl zu entdecken.
Nicht alles, was heute noch Probleme verursacht, ist auf den Täter zurückführbar. Vater, Mutter, Täter: Sie alle haben große eigenständige Bedeutung. Bei mir betrifft diese außer Mutter noch meinen Vater. Einige meiner Grundgedanken hatten mit ihm zu tun. Und vor allem: ich war 3(!) Jahre alt, als ich mich bei ihm über Mutter beschwerte. Er hätte mir 10(!) weitere Jahre Missbrauch ersparen können. Darum hatte meine Auseinandersetzung mit ihm eine große Bedeutung bei meiner Heilung.
Es gibt noch einen zentralen Punkt: Die Schweigemauer musste weg. Ganz weg. Der Beginn dieses Vorgangs war die Wiedererinnerung des Missbrauchs im Jahr 1999, das Ende ein Fernsehbericht des HR über mich im Februar 2011.
Heilung, oder: die Auflösung von Traumata, ist meiner Meinung nach ein Vorgang, der lange dauert, vielleicht gar nicht endet. Das bedeutet aber auch, dass ich nicht ständig mit heilen beschäftigt bin. Ich bin mit essen beschäftigt, mit lesen, mit lieben, mit heilen, mit arbeiten …
Meine Ressourcen
„Vor kurzem war ich bereits die dritte oder vierte Woche hintereinander kaum arbeitsfähig. Ich war depressiv. Nicht ein einziges Mal habe ich es zum Krafttraining geschafft. Abends konnte ich mich nicht auf die Nachrichten konzentrieren und morgens kam ich vor 10 Uhr nicht aus dem Bett.“
Soll ich die vier Wochen wirklich so beschreiben? Oder vielleicht eher so:
„In den letzten drei bis vier Wochen saß ich jeden zweiten Tag auf dem Balkon, habe gelesen und teilweise in der Sonne gebräunt. In meinem Lieblingscafé war ich ebenfalls mehrfach, habe Kaffee getrunken, Menschen beobachtet, gelesen, Notizen gemacht. Ich liebe lesen. Und wenn es nicht regnete, fuhr ich fast täglich mit dem Fahrrad am Main entlang. Abends saß ich dann gelegentlich in der Badewanne mit Buch, Kaffee, Papier, Stift, Telefon, genoss die feuchte Wärme und entspannte mich.“
Beide Versionen sind „wahr“.
Weil ich die zweite Version sehr gerne mag, liste ich anschließend meine Stärken auf. Auf neudeutsch: meine Ressourcen. Was kann ich? Was mag ich gerne? Das Wichtig nehmen dieser Ressourcen führt dazu, dass mein Tagesablauf immer angenehmer und optimistischer wird.
Meine Ressourcen in meinem Innern:
- ich kann selbständig relativ autark leben
- ich denke analytisch
- ich kann komplexe Probleme lösen
- ich arbeite mit inneren Bildern
- ich kann mir Wissen jederzeit aneignen
- ich habe umfangreiches Wissen
- ich habe einen inneren Wohlfühlort
- ich bin intelligent
- ich bin neugierig
- ich bin geduldig
- ich kann mich einfühlen
- ich kann kreative Ideen entwickeln
- ich kann mich nach innen konzentrieren
- ich kann mich gut beobachten
- ich kann Gefühle betäuben
- ich bin hilfsbereit und ehrlich
Meine Ressourcen außerhalb von mir:
- Ich habe Freunde
- ich bin in Selbsthilfegruppen verankert
- Badewanne
- interessante berufliche Tätigkeiten
- ausreichend Vermögen
- meine Töchter
- ich bin attraktiv
- ich lese gerne
- ich habe viel Wissen
- ich liebe es, im Café zu sitzen
- ich fahre gerne Rad
„Aus leben wird lieben, wenn du ein ‚i‘ einfügst.“
April 2011 - UdoAlle Mütter spielen an ihren kleinen Jungens rum: Fortsetzung
Ich bin genau richtig, so wie ich bin
Im April 2011 war ich überzeugt, einen großen Teil meiner Heilung erarbeitet zu haben. Und heute? Ich bin überm Berg und auf dem Weg zum Meer ...
Es gäbe eine Menge zu erzählen, was sich im letzten Jahr alles bei mir veränderte. Vielleicht ein paar einzelne Aspekte:
"Ich bin nicht gut genug. Ich müsste das besser können." Diesen tiefsitzenden Grundgedanken hatte ich vor mehr als 10 Jahren entdeckt. Er hatte mir das Leben schwer gemacht. Seit Oktober 2010 hieß er "ich sollte das besser können." Eine gewaltige Entlastung. Seit Februar 2012 heißt er "ich bin gut. Ich bin genau richtig, so wie ich bin". Ein zauberhafter Grundgedanke.
Ich kann alles in meinem Körper fühlen, was mit mir passiert. Wie ich auf Menschen um mich herum reagiere, kann ich spüren. Nicht nur Emotionen wie Trauer, Wut, Freude, auch deutlich schwächere Körperempfindungen, ihre Veränderung. Ständig. Ich kann mich gezielt darauf konzentrieren. Ich kann das Fühlen auch abstellen. Manchmal auch nicht. Unglaublich.
Ich habe im März meinen Geburtstag gefeiert als den ersten Geburtstag nach dem Ende meiner Trauma-Folgen. Über 20 Menschen, die ich liebe, waren da. Ich fühlte und dachte und nahm mich und die anderen wahr. Ich war völlig in der Gegenwart.
Ich hatte eine kurze Liebesgeschichte. Ich fühlte die Freude und Liebe. Beim Ende fühlte ich die Trauer. Nicht nur das, ich könnte die Gefühle in meinem Körper bis ins Detail beschreiben. Körperlich beschreiben.
Ich habe Lust, meine Geschichte zu erzählen, auch öffentlich. Die NDR-Doku vom 19.3.12, in der ich vorkam, hat mir gefallen. Ich fühlte mich bei der Erstellung, wie auch beim Anschauen und bei den Reaktionen anderer Menschen darauf, wohl. Die Aufnahmen allerdings fand ich körperlich anstrengend. So wie ich bin, bin ich genau richtig. Klasse. Keine Angst, keine Wut, keine Scham. Zufriedenes Wohlfühlen über mich und Zorn und Trauer über die alten Sex- und Gewaltaktionen und die Lügen von Mutter und Vater.
Früher hätte ich mich nicht in den Mittelpunkt getraut. Das wäre gefährlich gewesen und beschämend. Sozusagen unter Todesstrafe. Ich benötige nicht mal Mut dazu.
Neugier und mein Wunsch zu erzählen, dass Trauma auflösbar ist, und eine Portion Lampenfieber bei neuen Aktivitäten. Spannend, interessant, aufregend, wohlfühlend, leicht und locker. Ich laufe geradezu über vor lauter solchen Empfindungen.
Es entstehen laufend weitere interessante Entdeckungen und auch Erinnerungen. Ich fühle mich sehr lebendig.
"Frauen sind gefährlich" gib es nicht mehr.
Was war passiert, damit der Grundgedanke "ich bin genau richtig, so wie ich bin" entstehen konnte?
Ich konnte ein Gefühl so ähnlich wie Hunger, nur deutlich schwächer, aber unangenehm, seit ungefähr Sommer 2011 klar wahrnehmen. Früher reagierte ich darauf mit: viel essen oder süss essen oder scharf essen oder mit Kaffee, Säften, Zigaretten. Dann entdeckte ich (mit Hilfe von Achtsamkeit, Focussing, EMDR, Innere Bilder), dass ich als Baby von 6 Monaten Sicherheit spüren wollte: essen satt, wenn Hunger; festhalten auf Arm wenn einsam, usw.. Das fehlte mir.
Darauf hin gab ich mit meinen inneren Anteilen, insbesondere den kleinen Kindern, dem 16-jährigen und den jungen Erwachsenen dem Baby immer wieder, was es brauchte, wenn ich das unangenehme Gefühl wie Hunger spürte. Seit Februar 2012 ist das unangenehme Gefühl wie Hunger nicht mehr da.
Dann entdeckte ich, dass mir sofort die Tränen kamen, wenn jemand sagte (zu mir oder so, dass ich es hörte), dass ich etwas getan hätte, was ihr oder ihm gut tat. Nicht als Lob, sondern als Feststellung! Beim Nachspüren erkannte ich, dass es sich dabei um ein Verhalten von mir handelte, welches ich gerne tat, ich mich freute, es tun zu dürfen, welches mir leicht fiel, welches einfach aus mir herausfloss, weil ich so bin, wie ich bin. Ein Verhalten mit dem Gefühl, ich sollte mich bei der anderen Person bedanken, dass ich es tun durfte. Inzwischen muss ich bei derartigen Aussagen nicht mehr weinen.
Ich war so, wie ich bin, und anderen Menschen tat das gut. ...Wow.
Und meine Sexualität?
Nachdem ich 12 Jahre lang bewusst meine Sexualität gespalten betrachtete, entschied ich im Sommer 2011: Schluß damit. Die Sexualitäten werden ab sofort eine! Was das bedeutete, wie das gehen sollte? Ich hatte keine Ahnung.
Ich unternahm auch nichts gezielt, ausser: mich, meine Wahrnehmung und mein Verhalten gegenüber Frauen, meine Sexualität mit mir selber, meine Phantasien genau zu beobachten.
Bis heute sind sozusagen ohne mein bewusstes Zutun viele der alten Elemente meiner Sexualität in Bewegung geraten. Manche Blockaden sind verschwunden, manche Wahrnehmungen deutlich verändert. Ich lerne Sexualität neu. Es ist ungefähr so, wie wenn ein 17-jähriger und ein 57-jähriger sich gemeinsam in einem Körper befinden und die Welt der Liebe erkunden.
Selbermachen
Ich bin überzeugt, dass Heilung von Trauma-Folgen eine Arbeit ist, die jeder Betroffene letztlich selber tut. Ob es sich als 'müssen' oder als 'können' oder als 'dürfen' anfühlt, egal.
Hilfen von Therapeuten, Büchern, Filmen, anderen Personen oder speziellen Selbsthilfegruppen sind allerdings nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar.
Der Punkt ist, man benötigt Mut, Risikobereitschaft, Wissen, Feedback, Gemeinschaftsgefühl, Anregungen, Experimente, Wohlfühlen und nicht zu vergessen: neben dem heilen auch leben.
Aus leben wird lieben, wenn du ein 'i' einfügst.
März 2012 - UdoHier noch keine Fachbibliothek